Hygiene als Hebel zur moralischen Mumifizierung

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Gastautor: Dr. Fee Friese

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  • Die Hygiene als soziale Frage - sozial handlungsfähig werden aus Einsicht.
  • Vortrag von Dr.med. Thomas Külken am 1. November 2025 im Dorfgemeinschaftshaus Nußdorf.
  • Alles steht und fällt mit dem Erkennen, so auch beim Thema Hygiene, so Rudolf Steiner.

Einleitend weist Dr. Külken darauf hin, dass wir als Gesellschaft seit mehr als 100 Jahren versäumt haben anzugehen, worauf Steiner in seine 1920 gehaltenen Rede ”Die Hygiene als soziale Frage” bereits hingewiesen hatte. So konnte es dazu kommen, dass ab 2020 ”das Projekt Hygiene als Hebel zur moralischen Mumifizierung”, so Külkens Worte, eingesetzt wurde. Dasselbe Thema stand damals in Steiners Rede im Mittelpunkt: die staatliche Bevormundung des persönlichen Gesundheitsverhaltens und die Bürger, die sich diesbezüglich bevormunden lassen. Es sei ganz und gar undemokratisch, dass Autoritätsglaube von staatlicher Seite gefordert wird. Dabei geht es nicht um solche Dinge wie Zähneputzen, sondern darum zu glauben, dass Hygiene der Gesellschaft als Ganzes zu unterstellen sei. Demokratie bedeutet, dass nichts über die Köpfe der mündigen Bürger entschieden wird, das diese selbst betrifft. Das gilt gerade auch für Entscheidungen zu gesundheitlichen Fragen.

Sonst handelt es sich um eine Fassaden- beziehungsweise Scheindemokratie. Steiner charakterisierte diese als ”Spanische Wand”, hinter der die eigentlichen Entscheidungen getroffen werden, ohne dass die Bürger davor Einfluss darauf hätten. Leider ist das Interesse an medizinischen Fragen bei den Bürgern sehr gering. Damit begeben sie sich in die - wie Kant es formulierte - selbst verschuldete Unmündigkeit. Die soziale Katastrophe ist, dass die Menschen mitmachen, ohne sich Gedanken zu machen und damit sich bevormunden lassen. ”Stellt Euch vor, es ist Krieg und keiner geht hin” wäre schön, aber es funktioniert nicht, weil Menschsein durch Propaganda ausgelöscht wird. So werden nicht Menschen gesehen, sondern Feinde. Külken variiert diese Frage ”Stellt Euch vor, noch einmal würde einer sagen, ‚die Regeln dürften nicht mehr hinterfragt werden‘ und keiner hält sich dran.”

Das Grundübel der heutigen Zeit - so Steiner damals - sei der Intellektualismus in allen Bereichen, Wissenschaften und Medizin. Alle diese Erkenntnisforen sehen nicht den einzelnen Menschen. Doch eine wirkliche Humanmedizin hätten wir erst, wenn sie zum einzelnen Menschen vordringt. Das würde allerdings voraussetzen, dass der Schauende den ganzen Menschen sieht in seiner Einzigartigkeit. Letztlich steht ein einmaliger Mensch als Arzt einem einmaligen Menschen als Patient gegenüber. Und wir alle haben die Sehnsucht danach, als Individuum gesehen zu werden, nicht als Fall. Doch wie kommt der Mensch zu diesem Schauen? Külken zitiert auf seine Frage Antoine de Saint-Exupéry: ”Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.” und ”Erkennen heißt nicht zerlegen, auch nicht erklären. Aber um zu schauen, muss man erst teilnehmen.”

Um nicht nur das Typische zu sehen, sondern das Individuelle, braucht es ein schauendes Bewusstsein. Notwendig dafür ist wirklich geistesgegenwärtig zu werden. Echte Teilnahme am anderen ist Voraussetzung für Erkenntnis. Die heutige Medizin dagegen bedient sich immer weiter entwickelten Techniken, spezialisiert für jeweilige Fachrichtungen. Dies treibt die Verallgemeinerung, die Intellektualisierung immer weiter. Der individuelle Mensch wird nicht gesehen, sondern Materielles wird zerlegt in immer kleinere Teile. So ist die heutige Medizin nur eine Sammlung pauschaler Aussagen, wie dieses oder jenes beim Menschen sei. Es sind nur Entdeckungen, keine Erkenntnisse. Kurz: keine Humanmedizin, sondern eine kranke Medizin, eine Katastrophe. Ebenso wie die korrupte, gekaufte Wissenschaft, die sich für alles einspannen ließ.

Alles steht und fällt mit dem Erkennen, so auch beim Thema Hygiene, so Steiner. Erst wenn ein Mensch versteht, wird es zur Wirklichkeit. Für ein fragendes, suchendes Geistesleben, das in Lauterkeit um Erkenntnis ringt, muss vollständige Freiheit herrschen. Dazu braucht es mutige Menschen. Wahre Erkenntnis setzt Teilnahme voraus. Stellt Euch vor, wie hätten eine Hygiene, die auf Verständnis und Vertrauen baut. Doch stattdessen agiert die Wirtschaft, deren Motor der Gewinn ist, die Gier und die Politik, die für diese Interessen vereinnahmt wird. Damit wird auch der Geist korrumpiert. So wurden denn auch die Regeln zur Hygiene, von denen alle betroffen waren nicht durch alle entschieden wie in einer Demokratie. Stattdessen haben wir die Einforderung von Autoritätsglaube, Gehorsam und blinder Unterwerfung erlebt. Mehr als deutlich wurde dadurch, daß Hygiene eine soziale, eine gesellschaftliche Frage ist, die auf nicht demokratische Weise von der Politik beantwortet wurde, in der Einsicht ohne Bedeutung war. Jene, die um Erkenntnis gerungen haben, erschloss sich ein anderes Bild, kamen zu anderen Schlussfolgerungen und waren handlungsfähig.

Die Zuhörer dankten Dr. Külken mit großem Applaus für seine bereichernden wie nachdenklich machenden Ausführungen. Seine Worte erhalten durch sein persönliches Beispiel besonderes Gewicht. Ein Arzt, der wirkliche Humanmedizin lebt und jedem Menschen, der seine Praxis aufsucht, wahre individuell Teilnahme zuteilwerden lässt und aus Einsicht heraus handelt. Dass es heute Mut bedarf als mündiger Bürger und Arzt, der sich für seine Patienten, für den Menschen einsetzt, zeigen die Folgen, die ihm daraus erwuchsen.

Dem Veranstalter Udo Daecke ist wiederum sehr dafür zu danken, dass er immer wieder wertvolle Beiträge zur Meinungsvielfalt und Aufklärung leistet.

Hier ist zum Nachlesen die Rede von Rudolf Steiner von 1920, auf die sich Külken in seinem Vortrag immer wieder bezieht.



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