Aschermittwoch Biberach, jetzt Anklage wegen Landfriedensbruch gegen Bauern.

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Redaktionsteam: Michael von Lüttwitz und Stef Manzini

  • Bauernproteste in Biberach haben gerichtliches Nachspiel.
  • Erster Gerichtsprozess zur Aufarbeitung des Aschermittwochprotests in Biberach.
  • Nebenerwerbslandwirt muss sich wegen Landfriedensbruch verantworten.
  • Das Amtsgericht Biberach hat auf Antrag der Ravensburger Staatsanwaltschaft 42 Strafbefehle erlassen.
  • Polizei misst dem vorgeworfenen Vergehen des Angeklagten weniger Bedeutung bei als die Staatsanwaltschaft und das Gericht.
  • Wer bei der Protestaktion dabei war, und sich solidarisierte, machte sich schuldig.

Am Aschermittwoch 2024 fand in Biberach eine Demonstration der Bauern auf dem ”Gigelberg” statt, da sie durch die Ampelpolitik massive Zukunftsängste haben. Zeitgleich kam es vor der nahe gelegenen Stadthalle, in welcher die Grünen ihre Aschermittwoch-Veranstaltung durchführen wollten, zu einer spontanen Protestaktion, bei der zwei Fahrzeuge des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir nur unter polizeilichen Einsatzes einer Spezialeinheit aus Göppingen ihre Fahrt fortsetzen konnten. (Aschermittwoch Biberach. Pöbelte hier die Polente?)

In einer fast 500.000 Euro verschlingenden Nachfolgeveranstaltung, mit dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann und Innenminister Strobl, am 22. März 2024, wurden die Aschermittwoch-Ereignisse angeblich aufgearbeitet. Eine 20-köpfige Ermittlergruppe soll die Ereignisse strafrechtlich ermitteln, hieß es damals ("Aufarbeitung“ des Aschermittwochs in Biberach glich einer Schulstunde mit Oberlehrer Kretschmann.). Den Teilnehmern dieser Veranstaltung dürfte bereits im Verlauf klar geworden sein, die Prozesse gegen die Teilnehmer an der Protestaktion werden ein Politikum darstellen. Können die Prozesse gegen die Bauern nun auch tatsächlich als politische Prozesse betrachtet werden? stattzeitung.org wird weiter über den Verlauf der ”Biberacher-Prozesse” berichten.

Die Polizeiaktion am 14. Februar 2024 während der Bauernproteste zur Aschermittwochs-Veranstaltung der ”Grünen” wirkte auf Anwesende zunächst reichlich unstrukturiert und unkoordiniert. stattzeitung.org war vor Ort und hatte berichtet. Statt eines Megaphons zur Deeskalation hatten die Polizeikräfte Pfefferspray dabei, das eingesetzt wurde. Anwesende Deeskalationspolizisten, die an der Stadthalle zugegen waren, wurden nicht herbeigerufen und die Polizisten vor Ort ließen auch keine Anzeichen eines Deeskalationsversuchs erkennen. Die Polizeikräfte setzten im Verlauf Pfefferspray und Schlagstöcke ein, es wären mehrere Beamte leicht verletzt worden, berichteten mehrere Mainstream-Medien.

Dennoch ist es in diesem Zusammenhang maßgeblich wichtig auch festzustellen, dass bei den ”Bauernprotesten” in Biberach niemand zu wirklichem Schaden kam, schwere handgreifliche Angriffe auf Personen, Polizisten oder Politiker gab es nicht.

Die Proteste der Bauern am diesjährigen Aschermittwoch haben für einige Landwirte nun ein gerichtliches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft legt ihnen Landfriedensbruch zur Last. Dieser Straftatbestand ist nicht trivial. Am Donnerstag, dem 14. November 2024 war es nun so weit: Im Amtsgericht Biberach musste sich ein 40-jähriger Lehrer und Nebenerwerbs-Landwirt den Vorwürfen des Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Nötigung verantworten. Die Staatsanwältin und Richterin sahen seine Schuld als erwiesen an. Mit 80 Tagessätzen zu je 50 Euro, das sind 4.000 Euro, ging das Gericht über das Strafmaß des ursprünglichen Strafbefehls, der vom Angeklagten nicht akzeptiert wurde, hinaus.

Für den Schuldbeweis spielte das Gericht diverse Videos ab, auf denen man von Seiten der Protestierenden als auch von Seiten der Polizei strafrechtlich relevante Vorgehensweisen erkennen konnte, doch die Vollstreckungsbeamten bleiben in diesem Fall strafrechtlich außen vor. Dazu erklärte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer: ”Das Gewaltmonopol liegt beim Staat.” Nicht minder beachtenswert war die Besetzung der Anklage durch eine junge Staatsanwältin und des Gerichts durch eine junge Richterin. Immer wieder wird von Juristen, wie beispielsweise Markus Haintz, darauf hingewiesen, dass es sehr schwer für unabhängige Richter ist, einer bereits medial stattgefundenen Vorverurteilung mit dem eigenen Urteil entgegenzuwirken. Urteile entgegen der staatlichen Erwartungshaltung dürften sicherlich nicht karrierefördernd sein, war die Meinung einiger Prozessbeobachter im voll besetzten Gerichtssaal.

Die Polizei selbst, vertreten durch drei Beamte als Zeugen, dokumentierte das Vergehen des Nebenerwerbslandwirts als einen ”Sekundenakt”. Sie wiesen auch darauf hin, dass es zu keiner physischen Gewalt von Seiten des Beklagten gegenüber der Polizei gekommen wäre. Generell zeigten die Videos auch keine strafbaren Handlungen des Beklagten. Die Staatsanwältin und Richterin bewerteten die Situation anders. Die Richterin führte unter anderem auf, der Beschuldigte war Beteiligter einer unangemeldeten Protestaktion, er hat sich mit den Protestierenden solidarisiert, seine Schuld sei vollumfänglich bewiesen. Der Verurteilte kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.

Das Amtsgericht Biberach hat auf Antrag der Ravensburger Staatsanwaltschaft 42 Strafbefehle gegen die am Aschermittwoch 2024 in Biberach protestierenden Bauern erlassen. In 20 Fällen wären Einsprüche eingelegt worden, zudem kommt es zu 14 öffentlichen Verhandlungen, weil die Schwere der Vergehen mit einem Strafbefehl nicht gerechtfertigt gewesen wäre, dies wurde von Seiten des Gerichts in einer Publikation geäußert.

Der Prozesstermin am Dienstag, den 19. November 2024 fiel aus, da der angeklagte Landwirt den Strafbefehl gegen ihn annahm. Zwei weitere Termine sollen am 28. November und 3. Dezember folgen.

Den politischen Aschermittwoch, eine Traditionsveranstaltung zum Ende der Fasnacht, am 14. Februar 2024 in der Stadthalle in Biberach, sagte die Partei Bündnis 90/Die Grünen wegen Sicherheitsbedenken ab. Die Parteivorsitzende Ricarda Lang und der Landwirtschaftsminister Cem Özdemir verließen den Veranstaltungsort unbeschadet, nachdem zuvor durch einen Aufzug von demonstrierenden Landwirten die Zufahrtsstraßen rund um den “Gigelberg” zeitweise blockiert worden waren. Die Protestaktionen der Bauern waren zwar angemeldet, Teilnehmer berichteten allerdings, sie seien aus dem Ruder gelaufen. Zu größeren Körperverletzungen oder schweren Sachbeschädigungen kam es nicht. Es sei nur darum gegangen, Wut herauszulassen, die Wut anderer anzustacheln und andere zum Schweigen zu bringen, kritisierte der Grünen-Politiker und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, bei einer darauffolgenden Veranstaltung in der Gigelberghalle. “Zivilisierter Streit hält zusammen, unzivilisierter Streit treibt auseinander”, so Kretschmann. Der 75-Jährige war gemeinsam mit Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Freitagabend nach Biberach gekommen, um an einer Podiumsdiskussion über politische Streitkultur teilzunehmen. Das massive Sicherheitsaufgebot für die Politiker kostete den Steuerzahler einige hunderttausend Euro.

Nun sind 42 Landwirte wegen “Landfriedensbruch“ vor dem Amtsgericht Biberach angeklagt.
Am Donnerstag, den 14. November 2024, fand die erste Verhandlung statt. stattzeitung.org wird immer wieder bei den öffentlichen Verhandlungen dabei sein, und berichten.

Seinem Ursprung nach ist der politische Aschermittwoch eine bayerische Institution, es gibt ihn aber auch in anderen deutschen Bundesländern und Österreich. Im engeren Sinne ist darunter jeweils das bayerische Landestreffen von CSU, SPD, FW, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, ÖDP, die Linke, Bayernpartei, AfD und weiteren Parteien zu verstehen. Nach vorherrschender Meinung besteht das Ziel der in Bierzelt-Atmosphäre gehaltenen politischen Reden, die sich durch farbige Wortwahl und heftige, polemische Attacken gegen den politischen Gegner kennzeichnen, weniger darin, neuartige politische Konzepte zu präsentieren oder detaillierte Sachkritik vorzubringen.



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