Wohin geht ein Überlinger mit "Long-Covid" oder "Post-Vac"? Keine Fragen vom Gemeinderat, keine Antworten vom Krankenhaus.

von Redaktionsteam (Kommentare: 0)

Diana Benisch und Stef Manzini

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  • Level-1, Level-2, Level 1-n? "Level-Chaos" durch Lauterbach, das Helios-Spital in Überlingen.
  • Das Helios-Spital in Überlingen sieht sich aufgrund der Krankenhausreform mit großen Herausforderungen konfrontiert.
  • Für Biniossek gibt es Impfschäden, für Michalsen gibt es sie nicht.
  • Fachkräftemangel soll mit Rekrutierung von Pflegekräften aus Mexiko begegnet werden.

Wohin geht ein Überlinger mit Long-Covid oder Post-Vac-Syndrom, also Langzeitfolgen des Virus oder einem Impfschaden? Ins "Helios" braucht er nicht zu gehen, denn dort wird ihm nicht geholfen. Der Geschäftsführer des Helios-Spitals erkennt das Problem, ist sich jedoch dessen bewusst, dass hierfür in seinem Haus die Expertise fehle, und man Patienten weiterreichen müsse. Wohin sich Betroffene allerdings wenden können, das wusste Brandner nicht. Nur zwei Gemeinderäte äußerten sich dazu, Roland Biniossek stellte die betreffende Frage, sein Ratskollege, der Arzt Andrej Michalsen, erkennt gar keine Impfschäden als Problem an. Weitere Fragen aus den Reihen des Gemeinderats hierzu erfolgten nicht.

Roland Biniossek (fraktionslos) erklärte in der Gemeinderatssitzung am 26. Mai zunächst einmal seinen Respekt für die hohe physische und psychische Belastung des Personals während der Coronakrise. Biniossek fragte gerade im Hinblick auf die Patientenversorgung, ob das Helios-Spital die Möglichkeit habe, Impfschäden durch die Coronaimpfung und Langzeitfolgen der Infektion mit Corona zu diagnostizieren und zu behandeln? Andrej Michalsen (LBU/Die Grünen) sagte dazu, dass ein Long-Covid-Syndrom ein schwieriges Symptom sei, die Patienten aber ja nicht in der Hauptsache an Impfschäden leiden würden. Diese Behauptung unterfütterte Michalsen allerdings in dieser Ratssitzung nicht weiter mit Fakten.

Natürlich sähe er den Bedarf, so Robert Brander, Geschäftsführer des Helios-Spitals, aber es gäbe ja auch noch das große Thema der Post-Covid Patienten, das längst nicht vollumfänglich in Deutschland abgebildet würde. Man sähe, sowohl bei den Kindern als auch Erwachsenen, viele Fälle in den Sprechstunden und sei demgegenüber ziemlich hilflos, da die entsprechende Expertise fehle. "Diese haben wir hier nicht vor Ort und das ist im Augenblick auch nicht abbildbar", sagte Brandner. "Es gibt Menschen mit dieser Expertise und ich bin schon froh, solche Leute dann an passende Stellen zu vermitteln". Wo diese passenden Stellen denn seien, sagte Brandner nicht. "Wir versuchen die Leute mit ihren Problemen nicht allein zu lassen, aber uns wird es nicht gelingen, eine entsprechende Expertise hier an unser Haus zu bekommen", betonte Brander. Es blieb weiterhin offen, welche Patienten, ob nun Post-Covid oder Impfgeschädigte, vom Helios-Spital an welche Stellen aufgrund welcher Expertise weitergeleitet werden. Nachfragen aus dem Plenum von Seiten der Gemeinderäte gab es hierzu nicht.

Für einen aktuellen Sachstandsbericht aus dem Helios-Spital waren zu der Gemeinderatssitzung in Überlingen am 26. April 2023 der Geschäftsführer des Klinikums, Robert Brandner, der Ärztliche Direktor und Chefarzt der Gefäßchirurgie, Christoph Miltenberger und die neue Pflegedirektorin, Letta Hellebrand-Lache geladen.
Nachdem Robert Brandner zunächst feststellen konnte, dass zurzeit alle Chefarztposten besetzt seien, nannte der Ärztliche Direktor, Christoph Miltenberger, die für das Helios-Spital drei wichtigsten medizinischen Qualitätsmerkmale, Patientensicherheit, medizinische Qualität und Service. Bereits jetzt liege man hinsichtlich der medizinischen Qualität, gemessen am Bundesreferenzwert, deutlich über dem Durchschnitt, so Christoph Miltenberger.

Sorgen hingegen bereitete die von Karl Lauterbach (Bundesgesundheitsminister, SPD) angestrebte Krankenhausreform. Diesen Plänen zufolge sollen sich Kliniken stärker spezialisieren, Fallpauschalen sollen gesenkt werden, ein Stufen-System für Krankenhäuser sowie Vorhaltekosten für Personal und Technik eingeführt werden. Im Rahmen dieser Reform soll eine Eingruppierung der klinischen Einrichtungen in verschiedene Stufen erfolgen, die sich am Maß der jeweiligen Bandbreite an Versorgungsmöglichkeiten orientieren. Dabei gibt es für jedes Level einheitliche Standards für medizinische Geräte, Personal und Räumlichkeiten.

  • Level 1: Grundversorgung,
  • Level 2: Regel-/Schwerpunktversorgung,
  • Level 3: Maximalversorgung, wie zum Beispiel an Universitätskliniken.

Das erste Level unterteilt sich dabei noch in weitere Untergruppen, das sind sogenannte "n-Häuser", die die Notfallversorgung sicherstellen, und "i-Häuser", die eine sektorenübergreifende Versorgung anbieten. Da es sich bei dem Helios-Spital um ein "1-n Haus" handelt, wäre aber die Geburtshilfe in Gefahr und eine Versorgung dahingehend nicht mehr möglich. Daher wird nun durch entsprechend strukturelle Maßnahmen das nächst höhere Level 2 angestrebt, wozu unter anderem 10 Intensivbetten vorgehalten werden müssten, acht davon sind bereits vorhanden.

Die Frage von Gerhard Graf (FDP), ob denn in diesem Zusammenhang auch eine Pädiatrie (Kinderheilkunde) angedacht sei, wurde verneint. "Gerade als Kreisstadt sollte es das doch geben", so Graf. Die Politik wünsche keine Breite, sondern mehr Spezialisierung und Konzentrierung. Überlingen sei ohnehin schon stark diversifiziert und obwohl einige notwendige Strukturmerkmale bereits vorhanden sind, bedarf es extremer Anstrengungen, um alle Strukturmerkmale für Level 2 zu erlangen.

Sollte dies nicht gelingen, gäbe es noch die Möglichkeit ein "1n+ Haus" zu werden, was bedeuten würde, dass die Klinik über die Grundversorgung hinaus, andere qualitativ hohe Fachrichtungen mit ausreichend Patienten, aufweisen kann. Dazu könne dann die Geburtshilfe zählen, so Christoph Miltenberger.

Viel hängt aber auch davon ab, ob genügend Fachpersonal vorhanden ist oder angeworben werden kann. Die neue Pflegedienstleitung Letta Hellebrand-Lache hat sich aus diesem Grunde auch mit Kollegen und Kolleginnen aus Rottweil und Bonn auf den Weg nach Mexiko gemacht, um dort vor Ort Pflegekräfte zu rekrutieren. Elf Pflegekräfte konnten so gewonnen werden, wobei die Qualifikation, die Sprache und die Motivation bei der Auswahl eine Rolle gespielt haben. In einem ersten Schritt nehmen die Pflegekräfte an Deutschkursen teil und in einem zweiten, werden sie ab Mai 2024 ein Anerkennungsjahr absolvieren, bevor sie schlussendlich in den entsprechenden Abteilungen arbeiten können, so Letta Hellebrand-Lache. Es darf die Frage gestellt werden, ob die abgeworbenen Pflegekräfte nicht an anderer Stelle in Mexiko fehlen werden?

Sonja Straub (CDU) interessierte in diesem Zusammenhang, wie denn die Versorgung mit Hebammen im Augenblick sei und ob und in welcher Form es eine Stillberatung gäbe. Auch hier sei es gelungen, Stellen zu besetzen, wenn auch die Personaldecke weiterhin dünn sei und daher die Geburtsstation unter Umständen zeitweilig schließen müsse, wenn Engpässe vorhersehbar sind. Das Klinikum Überlingen ist ein stillfreundliches Krankenhaus mit entsprechender Beratung und Qualifikation, man lege großen Wert auf dieses Angebot, antwortete Letta Hellebrand-Lache.

Auf die Frage von Lothar Thum (FWV/ÜfA), ob es denn, nach anfänglichen Ressentiments der Ärzteschaft und auch der Patienten gegenüber dem Helios-Spital, jetzt genügend Patienten gäbe, lautete die Antwort von Seiten der Krankenhausleitung klar "ja". Viele Vorbehalte konnten ausgeräumt werden und es gäbe für alle Fachbereiche genug Patienten, unter anderem auch, weil im nahen Umfeld kleinere Häuser schließen mussten.

Abschließend wünschte sich Christoph Miltenberger, dass in dieser Umbruchphase genügend Finanzmittel für beste medizinische Versorgung zur Verfügung stünden und bat um Unterstützung der Politik bei dem "Kampf" um Level 2, damit in Überlingen bestimmte medizinische Schwerpunkte erhalten blieben.



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