Man kann der Wissenschaft nicht folgen, nur einer Religion.

von Cornelia Morche (Kommentare: 0)

Bild: Cornelia Morche

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  • Ein Bericht zum Vortrag von Professor Dr. Michael Esfeld, Wissenschaftsphilosoph, mit dem Titel "Wissenschaft und postmoderner Totalitarismus".
  • Wissenschaft hat keine Urteilskraft.
  • Wissenschaft kann nur Tatsachen aufzeigen, sie ist keine Doktrin.
  • Wissenschaft kann keine Handlungsvorgaben machen.

"Wir erleben den Übergang von einer offenen in eine geschlossene Gesellschaft. Wissenschaft wird zur Staatsreligion, und die Gesellschaft wird durch einen abergläubischen Kult zusammengehalten", waren zentrale Aussagen von Professor Dr. Esfeld, die er während seines Vortrags im Vortragsraum des Andreashofs am 20. April 2023 weiter erläuterte. Sehr spannend zog er einen großen Bogen von theoretischen Grundlagen der Wissenschaft zu unserer aktuellen Situation, die nach seiner Einschätzung einem spezifisch postmodernen Totalitarismus entspricht. Über 150 Zuhörer lauschten gebannt seinen beeindruckend konsequent und zügig vorgetragenen Thesen, bei denen kaum Zeit zum Luft holen blieb.

"Wissenschaftliche Erkenntnisse beruhen auf Fakten, vielfach auf Zahlen", war sein Einstieg. Wissenschaft kann nur Tatsachen geben, und daraus folgt erst einmal nichts. Wissenschaft ist keine Doktrin, sondern eine Methode, die versucht, die Natur zu erkennen, wie sie ist. Was wir in der Corona-Zeit erlebt haben, war jedoch genau entgegengesetzt, wenn von offizieller Seite gesagt wurde, glauben Sie alles, hinterfragen Sie nichts.

"Das erste Problem ergibt sich aus der Anwendung von Modellen", erklärte Professor Esfeld weiter. Modelle sind nichts als Modelle, die auf Annahmen beruhen. Ich kann die eine Zahl annehmen, dann bekomme ich ein Ergebnis. Mit einer anderen Zahl, manchmal nur geringfügig anders, komme ich zu einem ganz anderen Ergebnis. "Wir hatten wenig Fakten zu Beginn der Corona-Zeit, trotzdem wurden bestimmte Modellrechnungen als Wahrheit verkauft."

Das nächste Problem, fuhr Professor Esfeld fort, entsteht, wenn daraus Handlungsvorgaben abgeleitet werden und diese als Wissenschaft verkauft werden. "Wissenschaft kann keine Handlungsvorgaben machen", war eine der zentralen Aussagen. Wenn Politiker sich solcher Argumente bedienen, sind wir im politischen Szientismus, "das ist das genaue Gegenteil von Wissenschaft". Es ist ein Missbrauch von Wissenschaft, oder auch das Ende von Wissenschaft. In der Wissenschaft können Thesen aufgestellt werden, die dann jedoch überprüft und hinterfragt werden müssen. "Wenn Wissenschaft vorgibt, zu wissen, was zu tun ist, ist Wissenschaft am Ende", fuhr Professor Esfeld konsequent fort. Damit ist dann auch der Rechtsstaat am Ende, und es gibt keine normalen demokratischen Prozesse mehr. "Wir sehen aktuell dieselbe Geisteshaltung wie vor hundert Jahren, die dann ganz schlimm geendet hat, wir können darin auch Parallelen zur Geisteshaltung der Eugenik sehen", war sein Vergleich.

Hier kritisierte Professor Esfeld auch deutlich die Arbeit der Leopoldina, der er seit 2010 angehört. "Es wurden alle wissenschaftlichen Standards verletzt, und im Namen der Wissenschaft dann Menschenrechte verletzt." Das geht nicht, "Wissenschaft kann sich nicht über demokratische Prozesse setzen und nicht über Menschenrechte". Politikberatung und Wissenschaft gehörten einfach nicht zusammen, war seine klare Aussage. Hieraus folgerte Professor Esfeld, wir hätten in unserer Gesellschaft totalitäre Züge, und keine rechtlichen moralischen Grenzen mehr. Er erinnerte an das Verbot, während der Corona-Zeit schwer kranke Angehörige oder Sterbende im Krankenhaus zu besuchen.

Die Aussage, wir würden in einem postmodernen Totalitarismus leben, erklärte Professor Esfeld damit, dass wir es aktuell nicht nur mit einem großen Sinnbild zu tun haben, wie zum Beispiel in der Vergangenheit mit dem Marxismus oder dem Kommunismus, sondern mit vielen kleinen Narrativen: Wir hätten den Gesundheitsschutz, den Klimaschutz, den Minderheitenschutz und so weiter. Sie seien im Grunde genommen austauschbar, wobei ihre Güter instrumentalisiert würden. Das Ziel sei eine geschlossene Gesellschaft, in der die Menschen leicht gelenkt und kontrolliert werden könnten. Dabei würde Stigmatisieren und Brandmarken als Abwehrmechanismus benutzt, ohne dass sich mit den entsprechenden Inhalten auseinandergesetzt würde. Totalitarismus bedeute auch, dass es unbegrenzte Regelungen weit ins Private hinein gäbe, über ein kollektivistisches Narrativ. "Damit haben wir keine offene Gesellschaft mehr", war das Fazit.

Woran fehlt es in der heutigen Zeit, worin liegen Ursachen dieser Entwicklung, waren Überlegungen am Ende des Vortrags. "Wir brauchen den selbst denkenden Menschen, der etwas beurteilen, entscheiden und schließlich Verantwortung übernehmen kann." Auch in einem Unternehmen muss es so sein, dass jemand die Verantwortung für Entscheidungen übernimmt und für deren Folgen haftet. "Und genau dieses passiert in der Politik nicht, Politiker übernehmen keine Verantwortung für ihre Entscheidungen." Dazu würde eine zu große Machtkonzentration im Staat kommen, inklusive Einflussnahme auf die Justiz. Viele Dinge könnten von unten dezentral geregelt werden, den Staat brauchen wir vor allem zur Wahrung der Sicherheit. "Politiker, aber auch Richter müssten für ihre Entscheidungen haftbar gemacht werden können", war ein wichtiger Lösungsansatz von Professor Esfeld.

Bei der anschließenden Diskussion machte Professor Esfeld den Menschen Mut zu Zivilcourage und Optimismus. "Ein totalitäres System funktioniert nur so lange, wie die Menschen mitmachen." Wir Menschen müssten uns unseres Verstandes bedienen und mit den anderen Menschen mehr ins Gespräch kommen, nachfragen, und für freies Denken und offene Diskussionen einstehen. Selbst komplizierte Dinge hätten einfache, nachvollziehbare Grundlagen, die jeder in Erfahrung bringen kann und für elementare Einschätzungen reichen. Wir hätten im Fernsehen die Bilder von Bergamo gesehen mit den vielen Särgen, aber keine massenhaften Todesfälle in der Nachbarschaft. Solche Dinge zu erkennen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, sei wichtig, ermunterte Professor Esfeld.

Es war ein gelungener Abend, es gab viel Beifall, und es bleibt zu hoffen, dass es weiterhin solch ermunternde und offene Vorträge für uns hier am Bodensee und überall geben wird!



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