Herrschaft beginnt mit Sprache!

von Stef Manzini (Kommentare: 0)

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  • Die Macht der (Massen-)Medien – 4. Gewalt oder Gefahr für die Demokratie?
  • Mangelnde Bildung ist der Grund für schlechte Qualität der Medien.
  • Vortrag von Historiker und Lehrer Ulrich Büttner in Überlingen.
  • Kleine Akademie lässt Historiker über Medien reden.

Die Macht der Medien ist unbestritten groß, klein dagegen war jedoch die Zahl der Teilnehmer (25), die Frauen in der Dominanz, die sich für den gleichlautenden Vortrag in Überlingen interessierten. Die Medien sind laut Ulrich Büttner, Historiker, Gymnasium-Lehrer und Leiter des Bildungszentrums Konstanz, das Kernelement der Demokratie. Lügen uns die Medien also an oder schreiben sie die Unwahrheit?, fragte er am 30. November sein Publikum im katholischen Pfarrsaal Überlingen. Lügen oder Unwahrheit ist für den wortgewandten Redner nämlich ein großer Unterschied. Im ersten Falle Absicht, im zweiten absichtslos und häufiger der Fall in den Medien, so glaubt Büttner. Mit dieser Erklärung - fast Entschuldigung - wollte es Ulrich Büttner aber keineswegs bewenden lassen.

Der Historiker sagte in seinem kurzweiligen Vortrag dazu auch so bemerkenswerte Sätze wie: "Die Meinungsfreiheit in einem Medienhaus der Massen-Medien ist meist nicht die der Journalisten, sondern die Meinung der Besitzer", (Verleger). Büttner brachte als Zeugnis dafür die Aussage eines der größten Medienmogule seiner Zeit, Rupert Murdoch: "Meine Medien- meine Meinung". So könnte man Murdoch auf eine Formel bringen, die auch heute noch Realität in vielen Verlagshäusern zu sein scheint, legt man die einseitige Berichterstattung aktuell zu "Corona" oder dem "Ukraine-Krieg" zugrunde, so könnte man selbst meinen.

53 % der Deutschen schenken den sogenannten Mainstream-Medien (Massen-Medien) nur noch wenig Vertrauen, laut einer Allensbach-Umfrage. Das ist eine gefährliche Zahl, gibt Ulrich Büttner zu bedenken, Kopfnicken und ernste Gesichter im Publikum. Wenn jedoch den seriösen Medien weniger vertraut wird, sind die Wege für "Verschwörungswahnsinn" und Populismus frei, meint der Philosoph und Ethiker. Dazu zeigt Büttner erklärend eine Grafik, darauf werden aus Informationspunkten Faktenstriche, und daraus im letzten Bild des "Dreiklangs" die Verschwörungstheorie - das ist im Bild ein Judenstern. "Sie können den Judenstern auch mit Illuminaten ersetzen", so Büttner. Was der Historiker und Lehrer nun genau unter Verschwörungswahnsinn/Blödsinn versteht, erklärte er allerdings nicht weiter und blieb damit leider im nebulösen. Eine teilweise tendenziöse und sehr verkürzte Berichterstattung ließe alle Interpretationen zu, so Büttner. Sehr einig ist sich der eloquente Redner mit seinem Publikum, worin der Urgrund des Trends zur "Überschriften-Lesekultur" zu suchen ist: "Mangelnde Bildung". Peter Scholl-Latour nennt er als Beispiel für seriösen Journalismus und bringt ein Zitat des 2014 verstorbenen deutsch-französischen Journalisten: "Wir sind im Zeitalter der medialen Massen-Verblödung". Da stehen wir aktuell in Deutschland, meint auch Ulrich Büttner.

Massen-Medien sind gleichzusetzen mit Massen-Ware statt Qualität, dieses Problem habe sich definitiv verschärft, erklärt Büttner. 1950 gab es noch sechs Mal soviel Tageszeitungen wie heute, finanzielle Gründe sind ausschlaggebend für das Aufgeben vieler kleiner Verlage und gleichsam die Monopolstellung einiger großen Medienhäuser. Ulrich Büttner bedauert, dass Journalisten heute kaum noch Zeit für umfangreiche Recherche haben, dass die Anzahl der festangestellten Journalisten stark zurückgegangen sei und fügt hinzu, "befreundete Journalisten leben praktisch von der Hand in den Mund".

Medienkritik findet nicht mehr im Lehrplan der Oberstufe statt, gab der Gymnasiallehrer und Leiter des Bildungszentrums ebenfalls mit großem Bedauern zu. Beispiele für die Macht der Worte, die im gleichen Medium heute so und morgen ganz anders klingen können, fand Büttner im Afghanistan der 1980-er Jahre: "Ehemalige Rebellen und Freiheitskämpfer - also Freunde - wie Osama Bin Laden, standen damals an der Seite der USA und wurden durch sie ausgebildet." Dann habe sich der Wind gedreht und sie wurden medial über Nacht zu islamistischen Terroristen, erinnerte der "Medienkritiker". Es wären die gleichen Leute gewesen, rief der Historiker ins Publikum. Ebenfalls kaum erträglich, für Büttner, wie durch komplett verkürzte Inhalte, besonders auch in Talkshows, alles total verdreht würde. Ein Blick in die Vergangenheit, und sei es der letzten Jahrzehnte, zur Einordnung der Lage vermisst der Historiker und schreibt auch schon einmal einen korrigierenden Brief an die Öffentlich-Rechtlichen Sendeanstalten, ARD und ZDF. Regelrecht als "üble Sauerei" bezeichnet Büttner gekürzte Zitate, wie vor kurzem das des Politikers Gregor Gysi. Man müsse nicht Gysis Meinung sein, aber nur die Hälfte seines Zitates auszusenden wäre absolut indiskutabel und trage zur Verwirrung und Diskreditierung bei. Mit dem erhobenen Finger zeigten die Deutschen auf die Propaganda in Russland und China, das würde zwar stimmen, aber die Deutschen wären eben auch nicht der Quell der Weisheit, das zu meinen wäre grenzenlos arrogant, beschied Büttner. Nur unsere Leitmedien zu konsumieren beschränkte den Fokus, die Auslandsmedien ab und zu auch zu betrachten sei in diesem Zusammenhang sehr gewinnbringend.

Büttner, der gute Verbindungen zu Südamerika unterhält, erzählte von einer Falschmeldung eines Mediums am Bodensee: "Der Südkurier berichtete einmal über Südamerika, und zwar komplett falsch. Ich reklamierte und die Redakteurin forderte mich auf, einen Artikel selbst zu schreiben. Da hatte wohl ein junger Volontär schlecht recherchiert - guter Journalismus braucht Zeit", erkennt der Mann, der selbst kein Journalist ist.

"Die Welt ist krank, sie hat Neoliberalismus, das geschieht auch durch gezielte Desinformation und mit manipulierten Statistiken", meint Büttner und  zeigt eine weitere Grafik. Daraufhin bringt der Lehrer Beispiele für den sogenannten Neusprech, der für ihn reine Manipulation ist. "Freie Marktwirtschaft" meine oft die Diktatur der Großkonzerne, "Berater" stehe häufig für Lobbyist, die Begrifflichkeiten täuschten über die Bedeutungen hinweg.

Ulrich Büttner schweifte gelegentlich weit ab von den Medien in Richtung Schulpolitik und war damit komplett in seinem Metier. Der Lehrer am Konstanzer Gymnasium sprach über sein Studium oder auch über Lobbyismus. Büttner ist kein Journalist und kein Medienschaffender - hat aber daher den Blick aus der Distanz. "Eine Gesellschaft der Un- oder Halbgebildeten ist eine Gesellschaft ohne Zukunft", prophezeite er Deutschland. Schuld daran wäre das deutsche Schulsystem, wenn es sich nicht deutlich und schnell verändern würde und das sehe leider nicht so aus, bedauerte der Lehrer.

Das Heute-Journal oder die Tagesthemen lügen zwar nicht, aber oft wäre die Information falsch, das habe er schon festgestellt, und zwar bei den Themen, bei denen er sich auskenne, sagte Büttner. "Andere kennen sich in anderen Sachen aus, ich frage mich also, wie hoch die tatsächliche Fehlerquote ist", ließ er seine Zuhörer in Ratlosigkeit. Als maßgebliche Gründe des massiven Vertrauensverlusts in die sogenannten Qualitätsmedien nannte Ulrich Büttner zum Schluss seines Vortrags eine angeblich alternativlose Politik, die somit den demokratischen Konsens verlasse, und wie schon mehrfach reklamiert als zweiten Grund das sinkende Bildungsniveau. Ulrich Büttner wollte sein Publikum ein bisschen sensibilisieren, erklärte er zum Schluss. Ausschließlich die Massen-Medien standen im Fokus des Lehrers und Historikers aus Konstanz. Möglich, dass auch Ulrich Büttner sich für seinen nächsten Vortrag über Medien etwas mehr sensibilisieren möchten. Um die Neuen Medien in seine Betrachtungen einfließen zu lassen, sollte nicht allzu viel "Wasser den Rhein herunterfließen", damit der Historiker aus Konstanz am Puls der Zeit bleibt.

Eine lebhafte Diskussion mit vielen Fragen zeigte den Veranstaltern, der Kleinen Akademie im Rahmen der Katholischen Erwachsenenbildung, dass sie einen Nerv der Zeit getroffen hatten. Maria-Gratia Rinderer, die alle Gäste und den Redner sehr herzlich begrüßt hatte, konnte also mit dem Abend sehr zufrieden sein.

Lesen sie dazu auch den Kommentar (Die Lücken im Vortrag zur Lückenpresse).



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