„Vulnerable Gruppen“ - Sippenhaft in Corona-Zeiten

von Fee Friese (Kommentare: 0)

Bild: Pflegeethik Initiative Deutschland e.V.
Gastbeitrag
  • Die Soziologin Dr. Fee Friese möchte nicht vergessen was alten Menschen angetan wurde.
  • 800.000 Menschen wurden in „Haft“ genommen.
  • Baden-Württemberg kippt nun die Maskenpflicht in Pflegeheimen.
  • Die Vereinigung "Lebenshilfe" hatte wegen der Maskenpflicht Verfassungsbeschwerde gegen das neue Infektionsschutzgesetz eingelegt.
  • Die deutsche Stiftung Patientenschutz ist irritiert über die Entscheidung das Maskengebot aufzuheben.

Nun hatte am 16. September 2022 auch der Bundesrat dem neuen „Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19“ zugestimmt, nachdem der Bundestag dies bereits am 8. September 2022 getan hat. Für alle Menschen in Pflegeheimen bedeutet dies, mehr als sechs Monate jeden Tag von morgens bis abends nur Menschen mit FFP2-Maske zu sehen und selbst mit Maske leben zu müssen. Sie werden vermutlich ein dunkles Winterhalbjahr lang kein Lächeln empfangen, kein Lächeln schenken können und in kein freundliches Gesicht mehr blicken dürfen. Dass fast alle von ihnen bereits viermal geimpft sind, nutzt ihnen nichts. Für einen Großteil von ihnen bedeutet dieser menschenunwürdige Zustand somit „lebenslang“!

Dem menschlichen Antlitz  das Menschliche zu nehmen missachtet die elementarsten Bedürfnisse der solchermaßen „Geschützten“, greift tief in ihr gesamtes Leben ein und ist menschenunwürdig. Und dies weiterhin ohne wissenschaftliche Evidenz für die Notwendigkeit, ohne Evidenz für die Schutzwirkung und ohne wissenschaftliche Belege der Unschädlichkeit für die Gesundheit alter Menschen. Einer Maske, die durch den Atemwiderstand beim Ein- und Ausatmen zu erhöhter Belastung von Atmung und Herz-Kreislauf-System führt. Deswegen gilt sogar im Arbeitsbereich eine Gebrauchsdauer von höchstens 75 Minuten mit folgenden 30 Minuten der Erholung, wobei sich dies auf Personen ohne gesundheitliche Einschränkungen bezieht. Mit der FFP2-Maskenpflicht wird den in Pflegeheimen wohnenden Menschen ein weiteres halbes Jahr körperliches und seelisches Leid angetan und quasi ein halbes Jahr ihres Lebens gestohlen. Sie alle zum Tragen der Maske zu zwingen ist verantwortungslos und widerspricht allen ethischen Grundsätzen. Es nimmt ihnen das Recht auf körperliche Unversehrtheit und verletzt ihre Menschenwürde.

Jene, die im Bundestag und im Bundesrat für das Gesetz stimmten, scheinen vergessen zu haben, dass auch in Pflegeheimen wohnende Menschen selbstverständlich dieselben Rechte haben wie die draußen Lebenden. Dass auch sie Bürger unseres Staates mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind. Aber für sie gilt diese offensichtlich nicht. Das neue Infektionsschutzgesetz widerspricht Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar". Und der Artikel geht weiter mit: „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Stattdessen kommt der Staat genau dieser, seiner ureigensten Pflicht nicht nach, missachtet die Menschenwürde und raubt ihr den Schutz. Er verletzt Artikel 2.2.: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ Dieser Eingriff ist jedoch an Artikel 19.2 Grundgesetz gebunden: „In keinem Fall darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“ Genau dies aber geschieht mit dem neuen Infektionsschutzgesetz, das der Bundesjustizminister als eine „grundrechtsschonende Gesetzgebung“ bezeichnet. Doch es ist eindeutig grundrechtswidrig und Ausdruck eines schonungslosen Umgangs mit alten Menschen. Eine Schande für unser Land.

Im Frühjahr 2020 wurden in der Bundesrepublik gleichzeitig mehr als 800.000 Menschen in Haft genommen. Ohne Anklage, ohne Schuld, ohne Verfahren, ohne richterliche Überprüfung, ohne die Möglichkeit Einspruch zu erheben, ohne Chance auf sofortige Haftaufhebung, ohne Information darüber, wie lange die Haft andauern soll. Isoliert. Ohne Besuch, ohne Freigang. Für jeden dieser 800.000 Menschen ist ungewiss, ob er dies überleben werde, d.h. ob der eigene Tod früher käme als die Haftentlassung. Bedingungen, die der Definition von Isolationshaft entsprechen, einer „…Form der Freiheitsentziehung, bei der einem bereits Inhaftierten innerhalb eines Gefängnisses oder einer ähnlichen Einrichtung Kontakt zu anderen Mitgefangenen, zur Außenwelt, meistens auch zu Beschäftigungsformen … verweigert wird. Die Isolationshaft dient ebenfalls dem Schutz anderer Inhaftierten und Wärtern…“ Was haben diese Menschen „verbrochen“?

Nichts! Ihre einzige „Schuld“ ist, dass sie in einem der rund 11.700 Alten-und Pflegeheime wohnen. Für 800.000 Menschen sind diese von einem Tag auf den anderen zum Gefängnis geworden, auch wenn keine Gitter vor den Fenstern sind und keine stacheldrahtbewehrte Mauer ihr Heim umgibt. Keine Gespräche untereinander. Kein Mittag- und Abendessen zusammen. Keine gemeinsamen Aktivitäten. Kein Musikabend. Kein gemeinsamer Gottesdienst. Den ganzen langen Tag niemanden sehen. Nur den Pfleger, wenn er kurz reinkommt, für das Notwendigste. Kein Besuch von Kindern, Enkeln oder Freunden. Nicht ins nahe Café oder über den Marktplatz schlendern. Keine Ausflüge. Keine Berührung. Nicht in den Arm genommen werden. Keine Gespräche. Kein Lachen, kein Lächeln, das hinter der Maske ohnehin nicht mehr zu sehen ist. Nichts mehr, was Freude macht. Sich fühlen als Gefangener, wie lebendig eingemauert. Für viele werden die Pfleger zu Wärtern, mehr mit Kontrolle, denn mit liebevoller Pflege beschäftigt.

Was war geschehen?
Ein „neuartiges Virus“, in Wirklichkeit gar nicht so neu, war übers Land gekommen. Menschenwürde wurde hintangestellt, Grund- und Freiheitsrechte waren außer Kraft gesetzt, geregelt in Anordnungen und Allgemeinverfügungen mit Titeln wie „Schutz von Pflegeeinrichtungen vor dem Eintrag von SARS-CoV-2-Viren …..“
Zur Erinnerung: Vor Beginn der Corona-Zeit setzte die Einschränkung von Freiheit und Selbstbestimmung eines Menschen eine richterliche Einzelfallprüfung voraus, z.B. bevor am Bett eines Heimbewohners ein Gitter angebracht werden konnte. Eine Abwägung zwischen dem Schutz der Risiken einer Verletzung beim Herausfallen einerseits und den damit einhergehenden Einschränkungen andererseits. Aus gutem Grunde gab es diese hohe Hürde. Es war wohl bewusst, dass zu schnell zu viel Schutz gefordert werden könnte, zu Lasten von Würde, Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen. Weniger um diese vor Schaden zu bewahren, als vielmehr zur Entlastung der Pflegenden, zur Einsparung von Aufwand und Kosten für Träger wie Kassen. Mit Beginn der Corona-Zeit werden nun Menschen Bedingungen unterworfen, die weit massiver in Würde, Freiheit und Selbstbestimmung eines jeden eingreifen, als es ein Bettgitter je vermocht hätte. Freiheitsentziehende Maßnahmen ohne richterliche Prüfung! Ohne jede Abwägung. Pauschal. Einzelfallprüfungen erübrigen sich bei 800.000 betroffenen Menschen. Wirklich? Dann müsste es schwerwiegende Argumente geben und eine Vielzahl entsprechender Belege. Denn eines ist bekannt: „…. Die Isolationshaft ist wegen ihrer Auswirkungen auf den Häftling umstritten und wird von Kritikern auch als Vernichtungshaft und als Form der Folter betrachtet.“ Alles, was diesbezüglich in der Vergangenheit dokumentiert wurde, erleben nun 800.000 Menschen in unterschiedlichem Ausmaß: Verzweiflung, Resignation, Sprachlosigkeit, Verlust von geistigen und körperlichen Fähigkeiten, Verschlechterung des Gesundheitszustandes, Verlust des Lebenswillens, Retraumatisierung mit all ihren Folgen…. um nur einige der Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden zu nennen. Das Resultat: Menschen, die nicht bestraft werden sollen, sich aber bestraft fühlen. Menschen, denen man keine Folter antun will, die es aber als solche empfinden. Unmenschlichkeit staatlich verordnet. Ein schöner Lebensabend?

Kann es für dieses Herbeiführen von soviel Leid überhaupt eine Begründung geben?
Ja, meinen jene, die für die freiheitsentziehenden Maßnahmen verantwortlich zeichnen. Das „neuartige Virus“, die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ „zwingt uns“ zum „Schutz vulnerabler Gruppen“. Was bezeichnen diese Begriffe konkret, die mit Beginn der Corona-Zeit eine so zentrale Rolle spielen? Wie eingangs erwähnt ist dieses „neuartige Virus“ nicht so neuartig, wie die von Beginn an genutzte Formulierung glauben macht. Schon seine ursprüngliche Bezeichnung 2019-nCoV weist darauf hin, dass es ihn bereits 2019 gab und die Umbenennung in SARS-CoV-2 impliziert einen Vorläufer. Doch dem Begriff „neuartig“ kommt eine doppelte Bedeutung zu. Zum einen signalisiert er, dass man noch gar nichts vom Virus wissen kann, weil er eben neu ist. Seine „Neuartigkeit“ macht ihn per se zur großen Gefahr, auf die man umgehend und konsequent reagieren müsse. Zum anderen impliziert dies als Schlußfolgerung, dass die Reaktion darauf nicht dem bisherigen Umgang mit Viren, insbesondere mit den jährlichen Grippeviren, entsprechen könne. Sondern es bedürfe einer anderen, einer „neuartigen“ Antwort . Auf den Punkt gebracht mit dem Angst und Schrecken verbreitenden und rund um die Uhr tagtäglich wiederholten Begriff „Killervirus“, später gefolgt von „Killervarianten“. Angaben dazu, bei wieviel Toten in welchem Zeitraum in welchem Gebiet das Virus bzw. seine Variante es zum „Killer“ macht? Fehlanzeige. Es erübrigt sich auch, denn was zählt sind allein die damit geweckten Assoziationen.

Die „epidemische Lage nationaler Tragweite“?
Leider sucht man vergeblich nach einer wissenschaftlichen Definition, die Kriterien an die Hand gibt, aufgrund derer überprüfbar wäre, ob eine „epidemische Lage nationaler Tragweite“ vorliegt. Es sind keine Messgrößen benannt, anhand derer zu entscheiden wäre, ob, ab wann bzw. bis wann eine epidemische Lage vorliegt. Auch nicht, anhand welcher Kriterien festzustellen wäre, dass sie von nationaler Tragweite sei. Dies wird vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages in seiner Ausarbeitung zu den verfassungsrechtlichen Fragestellungen explizit bestätigt. Die einzige Voraussetzung ist der Beschluss des Deutschen Bundestages. „Weitere materielle Voraussetzungen bestehen nach dem Gesetzeswortlaut nicht. Auch der Gesetzesbegründung sind keine konkreten Kriterien zur Definition des Begriffs zu entnehmen… Außer dem Beschluss müssen keine weiteren Voraussetzungen erfüllt werden, um eine epidemische Lage annehmen zu können… Der Deutsche Bundestag ist mithin frei, (jeweils) eigene Kriterien für die Ausrufung der epidemischen Lage zugrunde zu legen… Der Beschluss des Bundestages ist also maßgebend, unabhängig davon, ob tatsächlich eine epidemische Lage angenommen werden kann.“ Es ist sicher auch kein Zufall, dass die Formulierung „Epidemische Lage“ und nicht der Begriff „Epidemie“ Verwendung findet sowie „nationale Tragweite“ statt „nationales Ausmaß“. Um auf den Begriff „vulnerable Gruppe“ zurückzukommen: Er fand vor Beginn der Corona-Zeit seine Verwendung überwiegend in der Forschungsethik, in Sozialarbeit und in Entwicklungshilfe. In der Corona-Zeit wird nun „vulnerable Gruppe“ zum zentralen Begriff. Doch, obwohl mit tiefgreifenden Konsequenzen verbunden, sucht man nach einer wissenschaftlichen oder medizinischen Definition vergeblich. Es fehlen praktisch alle Kriterien, mit denen man diese in der Realität identifizieren könnte.  Dementsprechend fehlen auch evidenzbasierte Belege, warum in Alten- und Pflegeheimen lebende Menschen eine „vulnerable Gruppe“ sind. Der Begriff, so wie er verwendet wird, bezieht sich lediglich auf das statistische Merkmal „Alten- und Pflegeheimbewohner“, das wie selbstverständlich – ohne Belege – mit „vulnerabel“ gleichgesetzt wird.

Genügt ein einziges statistisches Merkmal?
Für die Verantwortlichen offensichtlich ja. Entscheidend ist der Begriff „vulnerable Gruppe“ als solcher und die mit ihm geweckten Assoziationen. Enthalten ist darin bereits die Schutzbedürftigkeit, verstärkt mit der Formulierung „Schutz vulnerabler Gruppen“. Von hoher moralischer Strahlkraft generiert er Zustimmung zu unmenschlichen Maßnahmen. Sie werden geradezu zur Pflicht. Wer will schon eine „vulnerable Gruppe“ schutzlos einem „Killervirus“ ausgeliefert sehen. Das Virus „zwingt uns einfach dazu“. Folgerichtig sind auch alle freiheitseinschränkenden Maßnahmen unbedingt notwendig und alternativlos. Der Aufforderungscharakter des Begriffs signalisiert, dass die solchermaßen Handelnden als Schützer und Retter vor dem gefährlichen Virus die Guten sind und nur das Beste für die Menschen wollen. Erstickt werden Zweifel, Bedenken, schlechtes Gewissen. Kritische Stimmen, die auf die gravierenden Folgen für die solchermaßen Geschützten hinweisen, werden überhört oder zum Schweigen gebracht.

Nebenwirkungen und Folgen?
Die suggestive Wirkung des Begriffs lässt mehrheitlich die Augen verschließen vor dem vieltausendfachen Leid der in Alten- und Pflegeheimen eingeschlossenen Menschen und ihren Angehörigen, die draußen bleiben müssen. Jene, die es wahrnehmen, leiden ohnmächtig mit. Der im „Schutz vulnerabler Gruppen“ unausgesprochen erhobene moralische Anspruch lässt die Herzen taub werden. Empathielos werden Anordnungen, Verfügungen beschlossen und umgesetzt. Maßnahmen, die Menschenwürde und Grundrechte verletzen. Wessen Herz nicht betäubt ist, der tut mit schlechtem Gewissen, auch in der Pflege, wozu er sich gegen besseres Wissen gezwungen sieht. Wer auf das Skandalöse, Rechtswidrige dieses Handelns hinweist, dem wird Verantwortungslosigkeit vorgeworfen und Egoismus unterstellt. Die vordergründige Plausibilität der Formulierung „Schutz vulnerabler Gruppen“ schaltet den Verstand aus und gibt Logik vor: Nur die verordneten Maßnahmen können den Schutz garantieren. Und die Menschen müssen pauschal diesem Schutz unterworfen werden. Alternativen gibt es nicht. Vergessen sind die Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie, wie sehr Angst, Stress, Einsamkeit, fehlende Berührung, Sinnlosigkeitkeitsgefühle auf die körperliche Verfassung wirken, insbesondere auf das Immunsystem. Was als alternativlose Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit verordnet wird, macht krank. Der Begriff „Gruppe“ lässt den einzelnen Menschen vergessen, sein jeweils eigenes Leben, seine individuelle körperlich-seelische Verfassung. Und macht es den Verantwortlichen leicht, ohne jede Differenzialdiagnostik 800.000 Menschen derselben Behandlung zu unterwerfen. Dass jeder von ihnen ein Recht auf gesundheitliche Selbstbestimmung hat, wird ignoriert, so, als ob jeder Mensch, sobald er Bewohner eines Alten-oder Pflegeheims wird seine Grundrechte abgegeben habe. So ist es nur folgerichtig, dass die Frage gar nicht gestellt wird, ob die solchermaßen Geschützten diesen Schutz überhaupt wollen. Einen Schutz, der wochenlange Einsamkeit bedeutet? Sterben müssen ohne einen geliebten Menschen zur Seite? Zwang zum Maskentragen trotz Kurzatmigkeit? Verlust von all dem, was noch Freude macht? Freilich lässt sich der Begriff „Schutz“ in seiner Unbestimmtheit mit Vielem füllen: Schutz vor Ansteckung, vor Erkrankung, vor Hospitalisierung, vor Intensivstation, vor Tod. Es kann je nach Begründungsbedarf dieses oder jenes oder alles zusammen gemeint sein. Die implizierte Dichotomie „Schutz“ oder „Schutzlosigkeit“ unterstreicht die Alternativlosigkeit der verordneten Maßnahmen und  blendet aus, dass es durchaus Alternativen gibt. So ist denn auch vulnerabel kein unveränderliches Merkmal aller in Alten-und Pflegeheimen lebenden Menschen. Selbstverständlich können auch dort lang erprobte Möglichkeiten zur Immunstärkung, zur Vorbeugung von Atemwegserkrankungen und ihrer Behandlung angewendet werden. Beginnend mit Lebensmitteln, die ihren Namen verdienen statt billiger aufgewärmter Halb- und Fertigprodukte für alle, Bewegung, frische Luft bis hin zu individuell abgestimmter Nahrungsergänzung könnte viel getan werden, um gesundheitsfördernd zu wirken. Offiziell jedoch wird dies nicht in Betracht gezogen oder gar empfohlen. Stattdessen liegt der Fokus einzig auf dem Virus, einer maximalen Kontaktvermeidung mit ihm sowie den Impfungen.

Nie wieder?
Nachdem im Frühjahr 2020 die Wochen des strengen Einschlusses für alle Heimbewohner vorbei sind heisst es unisono: Das machen wir kein zweites Mal. Heimleiter in offensichtlicher Betroffenheit  über das, was man mit der Umsetzung der Verordnungen den Bewohnern angetan hat, beteuern „nie wieder“. Doch es kommt anders. Bald folgen erneut Wochen der Isolation. Im Weiteren erleben die Menschen in den Heimen und ihre Angehörigen einen ständigen Wechsel von „Lockerungen“ und „Verschärfungen“. Nur so könne Schutz gewährleistet werden, lautet die Begründung. Sobald ein Impfstoff zur Verfügung stehe, gäbe es Freiheit und Menschenwürde wieder zurück. Mittlerweile haben die meisten Bewohner von Alten- und Pflegeheimen ihre vierte Impfung erhalten. Doch dass es jemals wieder werde wie zuvor, darauf warten wir alle, drinnen wie draußen, vergeblich. Bis heute können Angehörige und Freunde nicht wie früher einfach spontan, jederzeit und ohne Anmeldung im Pflegeheim zu Besuch kommen. Es bleibt bei Einschränkungen von Freiheitsrechten und der Angst, jederzeit wieder zum Gefangenen zu werden im „schönen Platz für’s Alter“.  Ein wirkliches Ende einschränkender Maßnahmen ist bis heute nicht in Sicht. Trotz vierfacher Impfung von Besuchten wie Besuchern Demütigendes: Limitierte Besuchszeiten, Tests, FFP2-Maske auch bei größter Hitze. Es gilt nun „Schutz“ durch freiheitseinschränkende, die Menschenwürde verletzende Maßnahmen und „Schutz“ durch Impfung. Alles dem Ziel unterworfen, die Heime „virenfrei“ zu halten und einen „Ausbruch“ zu verhindern.

Wissenschaftlichkeit?
Nach zweieinhalb Jahren liegen immer noch keine validen Daten vor. Das vorhandene Datenmaterial ist ohne wissenschaftliche Aussagekraft. Evidenzbasierte Belege für die Vulnerabilität aller Alten-und Pflegeheimbewohner bezüglich Corona gibt es nicht. Keine Zahlen zum Anteil Corona-Erkrankter an der Gesamtheit von Pflegeheimbewohnern über die Zeit hinweg. Keine Zahlen zum Anteil der wegen einer Corona-Erkrankung Hospitalisierten, auf Intensivstation Behandelter und an Corona Verstorbenen aus Pflegeheimen. Ohne diese Zahlen kann auch keine Aussage darüber getroffen werden über den jeweiligen Anteil dieser „vulnerablen Gruppe“ an unterschiedlichen Bezugsgrößen. Präsentierte Zahlen der „Infizierten“ sind lediglich Zahlen positiver Tests. Diese mit „Infizierten“ gleichzusetzen und diese wiederum mit „Erkrankten“ ist unwissenschaftlich. Auch für die Beantwortung der Frage, ob mit diesen unmenschlichen Maßnahmen das erwünschte Ziel erreicht wurde, fehlt jede Datenbasis. Sie kann schon deswegen nicht beantwortet werden, weil das Ziel der Schutzmaßnahmen nicht definiert und operationalisiert wurde. Und alle offiziellen Statistiken der Kategorie „mit und an Corona…“ sagen nichts darüber aus, wie viele nun wirklich an Corona erkrankt, wegen Corona-Erkrankung hospitalisiert oder verstorben sind. Offensichtlich von marginalem Interesse für die Verantwortlichen und darum nicht erfasst, blieben bis heute auch die massiven Auswirkungen der menschenunwürdigen Behandlung der Altenheimbewohner.

Analoge Sachverhalte sind bei den Impfungen zu beobachten. Ohne dass es je Studien zu den Wirkungen und Nebenwirkungen für die „vulnerable Gruppe“ gegeben hätte, sind die Bewohner von Alters- und Pflegeheimen die ersten, die eine Dosis erhalten, die Mehrheit mittlerweile auch die vierte. Ohne wirkliche Aufklärung, ohne Vorabprüfung der Impffähigkeit, ohne Abwägung von Nutzen und Risiken für den Einzelnen. In der mechanischen Durchführung oft als entwürdigend erlebt und angsterzeugend, wenn dies z.B. durch Bundeswehrangehörige geschieht. Ein großer Teil lässt es nicht wirklich freiwillig geschehen, sondern beugt sich dem Druck angedrohter Nachteile, z.B. von der Tischgemeinschaft ausgeschlossen alleine essen zu müssen. Zustimmung für einen medizinischen Eingriff aus nichtmedizinischen Gründen. Die Impfungen der „vulnerablen Gruppe“ laufen ohne begleitende Evaluation. Inwiefern sie dadurch Schutz vor einer Infektion, einer schweren Erkrankung oder Tod erfahren, bleibt damit ebensowenig erfasst wie Nebenwirkungen unterschiedlichen Grades bis hin zum Tod als Folge der Impfungen.

Ohne Maß und Ziel?
Ein klares ja, betrachtet man die Geschehnisse der letzten zweieinhalb Jahre unter dem Motto „Schutz der vulnerablen Gruppe“. Selbst unter der bis heute nicht bewiesenen und nicht beweisbaren Annahme, die verordneten freiheitseinschränkenden bzw. -entziehenden Maßnahmen seien ein wirksamer Schutz, so dürfen diese nicht verhängt werden. Aus guten Gründen hat die Sippenhaft in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Platz. Sie darf selbstverständlich auch heute keinen Platz haben als eine Art moderner Sippenhaft, begründet mit „Schutz vulnerabler Gruppe“. Dies verbietet die Menschenwürde, die einst ganz bewusst einst zu Beginn unseres Grundgesetzes gestellt wurde. Es widerspricht allem, was vor Beginn der Corona-Zeit unter ethischen, medizinischen und juristischen Gesichtspunkten veröffentlicht wurde. Und wer all dies vergessen hat, der möge sich vorstellen, dies selbst erdulden zu müssen. Oder sich vorstellen, ein geliebter Mensch müsse dies ertragen. Der Hinweis, einschränkende Maßnahmen träfen auch andere Teile der Bevölkerung macht die erlittene Unmenschlichkeit, die ihnen angetan wurde, für die Menschen in Alten- und Pflegeheimen nicht weniger schrecklich. Und im Gegensatz zu anderen Bevölkerungsgruppen gibt es für sie keine Freiräume und keine Möglichkeit, dem zu entfliehen. Und zu behaupten, es hätten sich ja alle daran gewöhnt, kann und darf kein Grund sein, einfach so weiter zu machen. Was sich seit zweieinhalb Jahren bei uns abspielt, darf nicht zur Normalität  werden mi einem menschen- und grundrechtsverletzenden Zustand, bei dem es nur noch um die Frage von „Lockerung“ und „Verschärfung“ geht. Offensichtlich denken die Verantwortlichen gar nicht mehr daran, alle Maßnahmen aufzuheben und zum Vor-Corona-Zustand zurückzukehren. Die Frage der Verhältnismäßigkeit spielt keine Rolle angesichts der Forderung nach maximalem Schutz. Dabei gibt es keine evidenzbasierten Beweise, dass Covid eine schlimmere, gefährlichere Erkrankung sei als die saisonale Grippe. Was hindert die Verantwortlichen daran, genauso mit dem SARS-CoV-2-Virus umzugehen wie die Jahre zuvor mit Grippeviren? Mit dem verordneten Schutz unendlich viel körperliches und seelisches Leid zu bewirken, kann nicht damit entschuldigt werden, doch nur das Beste gewollt zu haben. Das muss sofort beendet werden. Es sehenden Auges weiter zu tun ist ein Skandal. Inhuman. Menschenverachtend. Wer mit seinem Handeln wirklich das Gute will, hört sofort damit auf, wenn es das Gegenteil bewirkt. Wenn er trotzdem weiter macht: Mit welcher Intension tut er es?

Die Wirkmächtigkeit der Formulierung „Schutz vulnerabler Gruppen“ verhindert, dass es in der Öffentlichkeit überhaupt als Skandal wahrgenommen wird: wie unmenschlich unsere Gesellschaft mit alten Menschen in Corona-Zeiten umgeht. Unmenschlich, weil im Mittelpunkt nicht ihr Wohlbefinden, ihre Lebensqualität, ihre Wünsche und Bedürfnisse stehen, sondern die Vorstellungen der Akteure von maximalem Gesundheitsschutz. Oder was treibt sie an? Wenn der Begriff „vulnerable Gruppe“ überhaupt seine Berechtigung hat, dann hier: In ihrem ohnmächtigen Ausgeliefertsein gegenüber staatlichen Eingriffen in das ihnen noch verbleibende Leben sind alle Menschen in Alten- und Pflegeheimen in hohem Maße vulnerabel. Ihr seelisches, geistiges und körperliches Leiden an ihrem „Schutz“ gibt davon trauriges Zeugnis. Kinder sind unsere Zukunft und ihr Leiden an den Maßnahmen wird sich auf sie und die Gesellschaft auswirken. Alte Menschen sind unsere Vergangenheit UND unsere Zukunft. Sie haben in der Vergangenheit geschaffen, auf das die heutige Gesellschaft aufbaut. Und was sie heute in Alten- und Pflegeheimen an Leidvollem und Krankmachendem erleben, wird auch unsere Zukunft im Alter sein, wenn wir es weiter zulassen. Geben wir ihnen in der Gegenwart eine Stimme. Verschließen wir nicht länger die Augen. Werden wir wach.

Das Foto erhielt die Pflegeethik Initiative Deutschland e.V. von der Tochter der alten Dame, die hier aus dem Fenster ihres Altenheimzimmers schaut und  per Handy  mit ihr zu sprechen versucht. Sie hat die zehn Wochen Isolationshaft während des ersten Lockdowns in 2020 nicht überlebt.  Ihre Tochter durfte auch nicht zu ihr ins Heim, als sie starb.  Seitens der Einrichtung wurden die Angehörigen benachrichtigt und gebeten die Sachen der Verstorbenen abzuholen. Der Hausmeister hatte diese vor den Lieferanteneingang gebracht. Ohne eine Geste der Anteilnahme, wurde diese Bewohnerin entsorgt. Die Pflegeethik Initiative Deutschland e.V. tritt dafür ein, ethische Gesichtspunkte und die verfassungsrechtlich garantierte  Menschenwürde in den Mittelpunkt von Pflegepolitik und Pflegealltag zu stellen.



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