Mehr Frust als Lust beim täglichen Einkauf

von Cornelia Morche (Kommentare: 0)

Bild: Cornelia Morche
Arm&Reich
  • Umfrage zu den gestiegenen Lebensmittelpreisen
  • Insgesamt sind die Verbraucher unzufrieden.
  • Viel Kritik an Politik geäußert.

Wie gehen die Menschen damit um, wenn die Preise nur noch nach oben zeigen? Wie wird die aktuelle Politik beurteilt? stattzeitung.org wollten es wissen und sprach mit Verbrauchern bei ihrem alltäglichen Lebensmitteleinkauf in Überlingen. Überrascht hat dabei die Offenheit der Befragten, weniger überraschend war das große Frustpotential. In ihrem Urteil über die Politik waren sich fast alle Angesprochenen einig, es fiel vernichtend aus. „Totales Versagen der Politik, erst bei Corona, dann im Ukrainekonflikt, jetzt mit den Preisen. „Sie lügen wie gedruckt, ich kann es nicht mehr hören,“ empörte sich eine gepflegt gekleidete Dame vor dem Aldi. Als hätten die Frauen sich abgesprochen, geht es weiter „Ich mache das Radio erst gar nicht mehr an, um die Lügen nicht mehr hören zu müssen“ meinte auch die nächste Kundin.

Die meisten Menschen geben sehr detailliert bekannt, wo und wie sie beim Einkauf sparen und genau überlegten, was gekauft wird und worauf verzichtet werden müsste. „Das sind dann eben auch nur drei Bio-Karotten, die ich mir leisten kann, aber die sind halt besser als das Kilo vom Discounter, das dann verfault“, erklärte ein Mann mit Schiebermütze vor dem Gemüsestand beim Bio-Fritz. „Wenn ich aber jeden Pfennig umdrehen muss, dann vergeht mir die gute Laune“, fügte er noch sehr bedenklich hinzu. Dann mache das Leben keinen Spaß mehr, sagte er ernst.

Eine ältere Dame stand vor dem Gemüsestand auf dem Überlinger Wochenmarkt und schaute kritisch auf die Tomaten in ihrer Hand. Würde sie einige davon wieder zurücklegen? „Ich kaufe immer noch auf dem Markt, weil die Qualität dort besser ist als im Supermarkt, aber ich achte bewusst auf die Preise“, gab sie zu. Eine jüngere Frau, die am Kühlregal in einem Supermarkt stand, erklärte hingegen, sie ginge aufgrund des rasanten Preisanstiegs bei Lebensmitteln weniger auf den Wochenmarkt und habe praktisch alle Luxusartikel von ihrer Einkaufsliste gestrichen.

Zu den verschiedenen Methoden, durch überlegtes Einkaufen Geld zu sparen, erklärte eine junge Mutter, dass sie Schulhefte für die Kinder für ein Jahr im Voraus kaufe. Doch Angebote nützen und Vorräte anlegen sei manchmal einfacher gesagt als getan, meinte sie kritisch. „Da bin ich extra weiter weg zu einem anderen Discounter gefahren und dann durfte man nur fünf Butterpakete mitnehmen. Das war sehr ärgerlich“ sagte sie vorwurfsvoll. Abends studierte sie Sonderangebote, an Kleidern würde generell gespart, denn die gingen ja eigentlich nicht so schnell kaputt und natürlich würde am Sprit gespart und quasi jede Fahrt genau überlegt. Gute Ideen wären nun gefragt, so die junge Frau mit einem Achselzucken.  

„Eine schlechte Politik für uns ist das, sie sagen sie senken die Preise, es passiert aber genau das Gegenteil, siehe Spritpreise. Politiker sind Wassertreiber“ konstatierte ein Mann sehr ärgerlich, bevor er mit seinem Roller vom Aldi-Parkplatz davon düste. Eine Rentnerin sagte zu diesem Thema unverblümt „Die Politiker sind zu abgehoben, die verstehen den normalen Bürger nicht, die haben selber keine Probleme. Sie wissen nicht, was normales Leben ist. Die schwätzen von Dingen, die sie gar nicht verstehen. Es ist einfach nur unverschämt, was die von sich geben.“

Doch es gibt auch Menschen, die nicht sparen müssen. Und trotzdem machen auch sie sich Gedanken, wie es weitergehen wird. „Die Preise waren doch in letzter Zeit viel zu niedrig. Hersteller und Erzeuger sind nicht auf ihre Kosten gekommen“, meinte eine Kundin beim Gemüse abwiegen. Ob sie allerdings jetzt von den höheren Preisen profitieren, sei mehr als fraglich. Auch Mitgefühl für diejenigen, die es härter trifft, wurde geäußert, und man könnte vielleicht wieder Rabattmarken einführen, die es schon mal gab. „Ich spende mehr als früher, und ich beteilige mich an privat organisierten Tafelangeboten“ fügte die gutsituierte Dame noch hinzu.

„Worum geht es in der Politik? Nicht um den normalen Menschen. Wir müssen alles bezahlen, was die verbocken“ regte sich eine andere Frau auf. Sie drehte extra noch einmal um, bevor sie vom Parkplatz wegfuhr um ihre Situation zu beklagen. „Über zwei Jahre musste ich hier nach einem bezahlbaren Wohnraum für mich suchen, das geht gar nicht.“ Dagegen hört es sich bei der nächsten Kundin entspannt an, wenn sie von ihrer Sonnenseite des Lebens spricht. „Ich muss mich nicht einschränken", meinte sie, „aber dennoch überlege ich, wo Energie gespart werden kann. Zum Beispiel weniger warm duschen oder weniger Strom verbrauchen, abends das Licht konsequenter ausmachen, wo es nicht gebraucht wird. Unsere Eltern nach dem Krieg sind auch mit weniger ausgekommen“, fügte sie noch hinzu, „aber damals ging es aufwärts. Jetzt geht es abwärts“, so ihr Fazit. „Nein, wir ändern unser Einkaufsverhalten nicht, weil alles ist wie es ist, auch die Politik kann daran nichts ändern, die Verhältnisse sind global“ sagte ein Ehepaar einvernehmlich, bevor sie den Laden betraten.

„Es ist so vieles schlechter geworden, in den letzten Jahren, das hat schon vor 20 Jahren angefangen. Vor lauter Bürokratie kann keiner mehr vernünftig arbeiten, egal in welchem Bereich. Produzenten und Dienstleister, alle werden überfordert mit überflüssigen Vorschriften. Qualität hat schon seit Jahren in vielen Bereichen nachgelassen, z.B. im Automobilbereich“ überlegte ein Geschäftsmann sehr nachdenklich. Sehr unzufrieden äußerte er sich darüber, dass versprochene Preissenkungen, zum Beispiel beim Sprit, nicht an den Endkonsumenten weitergegeben werden. „Da profitieren nur die großen Konzerne“ war seine Meinung. Vertrauen in diese Politik ist nicht mehr spürbar. „Wir Bürger müssen uns selber um unsere Dinge kümmern, von den Politikern kommt keine Hilfe, nichts Gutes. Wir sind zwar nicht die Experten, und müssen primär glauben, was uns gesagt wird. Aber wir müssen wieder die Politik kontrollieren, alleine machen die nur, was sie wollen", so die Meinung des Ehepaars vor dem Discounter im Überlinger Industriegebiet. Ein kleinerer Mann vor dem Weinregal lächelte verschmitzt „Eine Flasche guter Wein, das muss immer noch sein“, sagte er, und stellte sich an der Kasse an.

Insgesamt, so zeigte die nicht repräsentative Umfrage in Überlinger Lebensmittelgeschäften und auf dem Wochenmarkt, sind die Verbraucher nicht zufrieden mit der aktuellen Situation und vor allem das Vertrauen in die Politik ist massiv gestört. Der typische Politiker wird als abgehoben erlebt, der nichts von den Problemen des normalen Bürgers versteht. Das sind keine guten Zeichen, die Menschen erkennen lassen, dass wir uns selber um Lösungen kümmern müssen!



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