Ich bin dann mal weg!

von Redaktionsteam (Kommentare: 1)

Cornelia Morche und Stef Manzini

Bild: Stef Manzini
  • Ich bin dann mal weg!
  • Fachkräftemangel in Deutschland.
  • Ein Überlinger IT-Experte wandert aus.
  • Corona, Zukunftschancen und Steuern sind Gründe.

Die Corona-Maßnahmen nerven, im Ausland stehen für ihn die Chancen eher auf Zukunft und das deutsche Steuersystem sei für Gutverdiener unattraktiv, sagt der IT-Profi Christian R. aus Überlingen, und geht nach Paraguay.

Fachkräftemangel ist in Deutschland zum geflügelten Wort für alle Arten von Missständen geworden. Lange Schlangen in den Flughäfen sind ein Beleg dafür. Urlauber brauchen starke Nerven und die wenigsten erinnern sich noch an die 1,5 Milliarden Corona-Soforthilfe vom Staat an die Airline. Lufthansa löste daraufhin als eine der ersten Maßnahmen die Pilotenschule in Bremen auf. Es fehlt nun Bordpersonal, die Ticketschalter sind verweist- aber auch in allen anderen Bereichen des täglichen Lebens begegnet einem das Problem, dass Ricarda Lang (Parteichefin von Bündnis 90- die Grünen) am Sonntagabend bei Anne Will zu einem der größten Krisentreiber erklärte. Fachkräftemangel, und damit meinte die Grünen-Chefin nicht vor allem das mangelhaft qualifizierte Personal in der Bundesregierung. Das Statistische Bundesamt zählte so viele Auswanderer wie seit den 1950-er Jahren nicht mehr und das Magazin Focus schrieb von Hunderttausenden von Deutschen, die das Land verlassen.

Christian R. (Name und Anschrift der Redaktion bekannt) ist einer von ihnen und stattzeitung.org sprach mit dem hellen Kopf der IT-Branche über seine Gründe, nun auch das Heimatland zu verlassen- und anderswo Zukunft zu bauen. Der Unternehmensberater für datengetriebene Entscheidungs- und Optimierungsfindung, mit Schwerpunkt Lieferketten und Produktionsprozessen ist einer von denen, die uns schmerzlich fehlen werden. Vor einer Woche ging es los. Ade Überlingen. Hallo Paraguay.
Für Christian R. kam in den letzten zwei Jahren eines zum andern. Die allseits bekannten corona-bedingten Maßnahmen ließen kein normales, befriedigendes sinnvolles Leben mehr zu. Maskentragen, Testen, Abstand halten habe ihm jegliche Arbeit erschwert. Der Austausch mit Kunden wie mit Kollegen litt sehr, und Planungen mussten häufig über Bord geworfen werden. „Mein eigenes Wohlergehen leidet. Ein Wahnsinn, der uns umgibt, und bei genauem Hinschauen ist das alles in Deutschland besonders gründlich“, nennt der IT-Experte Gründe, die ihn dazu bewegt haben sein Heimatland zu verlassen.

In den vergangenen Jahren arbeitete Christian R. bereits für US-amerikanische Unternehmen, jetzt hat er sich selbstständig gemacht. Sein Arbeitsgerät ist sein Computer, insofern ist das für ihn ein riesengroßer Vorteil, praktisch überall auf der Welt völlig unabhängig arbeiten zu können. Der Mann, auf den die Bezeichnung Fachkraft bestens passt, hat letztes Jahr schon einmal probeweise ein gutes halbes Jahr in Mexico gelebt und gearbeitet. „Es hat sich sehr gut angefühlt, es war ein wesentlich freieres, flexibleres Leben dort. Man kommt sich dort auch nicht alleine vor, denn es gibt viele Menschen, aus Europa oder Kanada, die ihrer Heimat aus den gleichen Gründen den Rücken zugekehrt haben und sich bewusst ein weniger rigides, autoritäres, lebensfeindliches Umfeld suchen. Dort trifft man sich in Coworking Spaces, in denen Leben und Arbeiten verknüpft werden. Corona-Regeln gibt es dort auch, aber sie werden einfach nicht so wirklich umgesetzt, sie stehen nicht im Mittelpunkt, niemanden stört es, wenn man keine Maske trägt“, berichtet Christian R. von seinen Erfahrungen im Ausland.

Die empfundene Nötigung durch die „Corona-Maßnahmen“ sind aber nur ein Grund, für den Fachmann der Arbeitsprozesse optimiert. Die wirklich „fitten“ Experten säßen längst im Ausland, überwiegend in den USA. Deutschland sei wenig attraktiv für echte „Cracks“ und so wären auch die hier einwandernden Spezialisten beispielsweise aus China nur die Eins-B oder Eins-C Kategorie, weiß Christian R. Es mache ihm einfach mehr Spaß und mehr Sinn dahinzugehen, wo man wirklich spannende Projekte mit echten Profis an den Start bringen könnte, sagt er lächelnd- und freut sich auf Paraguay.

In dem Land mit den großen Ackerflächen ist sein Know-How gefragt. Christian R. überlegt zum Beispiel mit einem Landwirt, welche Pflanzen, welches Getreide oder Gemüse er in Zukunft auf seiner Agrarfläche anbauen soll. Alles auf eine Karte setzen oder diversifizieren? Welche Faktoren spielen hier eine Rolle, Faktoren wie Anschaffungskosten, Arbeitszeiten, notwendige Geräte, Klimaeinfluss, Abnehmer? Die Daten sind mittlerweile derart umfangreich und komplex, dass sie am besten computergestützt berechnet werden, bevor eine Entscheidung getroffen wird.

Der dritte Grund neben „Corona“ und mangelnder beruflicher Perspektiven ist das deutsche Steuersystem- hier bieten viele andere Länder deutlich mehr Attraktivität, also Anreize dafür, dass Geld verdienen Spaß macht, erklärt der IT-Profi. Ein kleines bisschen wehmütig, aber unterm Strich zuversichtlich schaut Christian R. in seine Zukunft. Der Entschluss ist jedoch gefallen, die notwendigen Dinge erledigt, das One-Way-Flugticket liegt auf dem Tisch. Ein paar Tage noch in Überlingen und dann ist erst mal Schluss mit dem Leben in diesem Land, sagt Christian R. bei seinem Gespräch mit stattzeitung.org

Nach seiner Rückkehr aus Mexico lebte Christian die letzten Monate im Elternhaus in Überlingen und plante alles soweit es ging. In seinem privaten Umfeld gab es mehr Zuspruch als Ablehnung, die Eltern und die meisten seiner Freunde unterstützen seine Pläne, können sie verstehen. Es gab erstaunlich wenig Unverständnis, erzählt der Auswanderer.
Seine neue Heimat ist zunächst Paraguay. Warum gerade Paraguay? Die Formalien sind hier mit am einfachsten, um überhaupt dorthin zu kommen. Es braucht dafür zunächst knapp 5.000 Euro, die auf einer Bank hinterlegt sein müssen, um eine unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Dazu eine feste Wohnadresse, dann kann ein Konto eröffnet werden, und man erhält nach acht Wochen einen Ausweis, vergleichbar mit unserem Personalausweis. Damit ist Leben und Arbeiten im MERCOSUR-Raum, also nahezu allen südamerikanischen Staaten, möglich.

Paraguay ist also der Beginn, danach verlockt Panama, vielleicht auch die USA. Auf Dauer soll es ein Leben an einer Küste sein. Wohin der Weg weiter geht, wird sich zeigen, vielleicht ist auch Perpetual Travel (eine ewige Reise) eine Option, bei der Christian R. keinen festen Wohnsitz mehr benötigen würde. Im Moment zählt für den IT-Experten erst einmal raus dem Wahnsinn und rein in die Sonne, sagt er lachend. Von seiner letzten Mexiko-Reise habe er Freunde unterwegs, die beim Ankommen helfen würden. Danach müssten vor allem wieder Kunden gefunden werden, sagt der IT-ler, ist aber nach den bisherigen Erfahrungen optimistisch. Für dieses Deutschland keine Steuern mehr zahlen zu müssen sei für ihn auch eine Art Protest. Bisher wären es Demonstrationen vor Ort gewesen, jetzt sei es eine konsequente Lebensveränderung.

Mittlerweile ist Christian R. gut in Paraguay gelandet. Es gäbe dort eine große Deutsche „Community“ quer durch alle Altersschichten und Gesellschaftsstrukturen. Ganze Familien aus Deutschland, teilweise ohne den geringsten Plan für ihre weitere Zukunft, seien dort anzutreffen. Die wollten einfach nur weg aus Deutschland, weg aus dem „Corona-Wahnsinn“, lässt der Auswanderer uns wissen, und grüßt aus der Ferne.



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Kommentare

Kommentar von Johannes Windschnurer |

Lieber Christian, viel Mut und Glück wünsch ich Dir!
-Gras is allways greener on the other side- :-)
Johannes, Auswanderer, Weltenbummler, Gärtner

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