„Julian Assange ist für mich ein Held“, Daniele Ganser

von Stef Manzini (Kommentare: 0)

Bild: Stef Manzini

Daniele Ganser äußert sich zur Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und beantwortet die Frage, ob Russland den Krieg schon gewonnen hat. Der Historiker kritisiert die schlechte mediale Darstellung Russlands in den westlichen Medien, und sagt wann für ihn der Krieg vorbei ist. Der Friedensforscher, für den Julian Assange ein Held ist, im exklusiven Interview am 17. Juni 2022 mit Stef Manzini von stattzeitung. Lesen Sie hierzu gerne auch den s!!z-Artikel „Die USA sind nicht die Guten“, Daniele Ganser in Lauterach bei Bregenz. Dr. Daniele Ganser kommt am 12. September 2022 ins kultur|o nach Owingen. Tickets und Informationen zum Vortrag hier.

s!!z: Manfred Weber, das ist ein deutscher Politiker, sitzt im Europaparlament und führt die größte konservative Fraktion – die EVP (Europäische Volkspartei). Er ist ein Franke, erkennbar am rollenden „R“ und er forderte nun vor zwei Tagen, abends bei Markus Lanz, die NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine. Das würde ja dann bedeuten, dass wir Sicherheitsgarantieren geben müssten – territoriale Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Das würde wiederum bedeuten, wenn Putin und seine Intention so bleibt, dann fällt eine Bombe auf ukrainisches Gebiet, nachdem wir die Sicherheitsgarantien gegeben haben, wenn das nicht wirkt, fallen am nächsten zwei, vielleicht am übernächsten Tag drei… Sind wir am nächsten Tag vielleicht schon so nah daran, dass wir wieder mal auf deutschem Boden zu der Fläche  werden, auf dem der Krieg dann auch ausgetragen wird.
DG: Also ich glaub, das ist einfach eine sehr unrealistische Forderung, weil die Ukraine befindet sich im Kriegszustand und wenn ein Land im Kriegszustand ist, wird es nicht in die NATO aufgenommen.

s!!z: Ok, das ist Ihre Antwort, eine NATO-Aufnahme ist unrealistisch. Dann der Wolfram Weimar, das ist ein Journalist von The European, der sagte kürzlich, eigentlich habe Putin den Krieg schon gewonnen. Das müsse man jetzt einfach mal so sagen und er könne einfach so weiter machen in diesem langsamen Tempo. Das heißt für ihn im Umkehrschluss, sofort Gespräche über Frieden – Friedensverhandlungen, also erst braucht es ja einen Waffenstillstand.
DG: Also ich bin nicht der Meinung, dass Putin den Krieg schon gewonnen hat, weil der Krieg läuft auf verschiedenen Ebenen. Das eine ist der Wirtschaftskrieg, Russland ist immer noch unter Wirtschaftssanktionen. Der zweite ist der Informationskrieg, Russland wird sehr schlecht dargestellt in den westlichen Medien, das läuft weiter. Der Krieg am Boden ist der, dass also Russen und Ukrainer sterben, dann ist der Krieg noch nicht vorbei. Der Krieg ist erst vorbei, wenn also von beiden Konfliktparteien keine Soldaten mehr sterben, dann ist eigentlich der Krieg vorbei, für den Historiker. Ich bin aber der Meinung, dass es möglichst schnell eigentlich Verhandlungen geben muss, weil Russland wird sich nicht bewegen, Russland wird dort bleiben, wo es ist und die Ukraine wird auch dort bleiben, wo sie ist.

s!!z: Russland hat viel mehr Menschen.
DG: Genau, Russland hat 150 Millionen Menschen, Ukraine hat 40 Millionen Menschen. Und ich glaube, dass sich Selenskyj und Putin treffen müssen, um eigentlich einen Frieden zu finden. Wenn der Krieg länger dauert, ist die Gefahr der Eskalation also, dass er über die Ukraine ausstritt nach Polen und dann haben wir einen NATO-Bündnisfall, das wäre gefährlich.

s!!z: Das wäre ähnlich dem Fall, den wir vorher besprochen haben.
DG: Genau, das wäre gefährlich. Oder wenn die Ukraine russisches Territorium beschießt, also Eskalationsmöglichkeiten gibt es in alle Richtungen.

s!!z: Mannigfaltig. Ja.
DG: Das Beste wäre halt, wenn Selenskyj sagt: „Ich verspreche dir, dass ich die Ukraine neutral halte, dass sie nicht in die NATO eintritt“ und wenn Putin im Gegenzug sagen würde: „Gut, dann ziehe ich meine Truppen zurück, ich will einfach die Krim auf jeden Fall in Russland und ich will Autonomie für den Donbass“. Das wäre, wie ich finde, ein vernünftiger Kompromiss.

s!!z: Nun haben Sie in ihrem Vortrag gerade eben mit roten Karten dargestellt, wie sehr man sich auf diese Versprechen dann verlassen kann.
DG: Das ist das Problem, dass Putin eigentlich nicht nur ein Wort von Selenskyj will, sondern er will vermutlich Beweise, dass das eingehalten wird. Die wollen das verbindlich und die wollen das fix.

s!!z: Die werden das nicht mehr so machen wollen, wie bei der deutschen Wiedervereinigung.
DG: Nein, nicht wie Gorbatschow 1990.

s!!z Dann mache ich nun einen ganz harten Sprung: Heute ist der Tag, an dem die britische Innenministerin ihre Zusage gegeben hat Julian Assange auszuliefern.
DG: Ist das heute passiert? Ich habe das noch gar nicht mitbekommen.

s!!z: Es war ja erst das Gericht in London, was zugestimmt hat, aber nun muss die Innenministerin noch nachziehen. Das hat sie also heute getan. Sie sieht in der Auslieferung keine Ungerechtigkeit gegen Assange.
DG: Das sehe ich natürlich völlig anders. Julian Assange ist ein Journalist, er müsste freigelassen werden. Er ist für mich ein Held der Friedensbewegung, weil er hat eigentlich gezeigt, wie amerikanische Soldaten aus Apache-Helikoptern heraus in Bagdad Zivilisten erschießen. Das ist das Video „Collateral Murder“, das ist jedem öffentlich zugänglich, man kann sich das anschauen. Es könnte auch die Innenministerin Patel anschauen. Und das jetzt eigentlich der Journalist bestraft wird, der Kriegsverbrechen aufdeckt, während Dick Cheney und George Bush in Freiheit sind, das zeigt einfach wir leben in einer verkehrten Welt. Eigentlich müsste Bush ins Gefängnis.

s!!z: Na gut, wir haben Assange bei uns auf dem Banner bei uns auf der stattzeitung. So lange dieser Mann nicht frei ist, ist für mich die Pressefreiheit nicht vorhanden.
DG: Das ist richtig.

s!!z: Ich danke Ihnen sehr herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
DG: Danke Ihnen für das Gespräch.



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