„Die USA sind nicht die Guten“, Daniele Ganser in Lauterach bei Bregenz

von Stef Manzini (Kommentare: 1)

  • Dr. Daniele Ganser kommt am 12. September 2022 ins kultur|o nach Owingen. Tickets und Informationen zum Vortrag hier.
  • Exklusiv-Interview mit Ganser hier auf stattzeitung.org.
  • Amerika und die NATO sind auch schuld, sagt der Schweizer Historiker.
  • „Fuck the EU“, sagte Victoria Nuland vom US-State-Department.
  • Dr. Daniele Ganser sprach in Lauterach bei Bregenz vor 1.200 Menschen.
  • Demontage der USA im Plauderton.
  • Veranstalter Garten-Eden-Projekt steht für Nachhaltigkeit.

Dr. Daniele Ganser ist ein Menschenfreund. Und er kann sich gut verkaufen. Das ist positiv gemeint, denn es ist nicht einfach, einen schweren Stoff so zu präsentieren, dass man die volle Aufmerksamkeit des Publikums auf die Fakten lenkt - und zwischendrin auch mal einen lockeren Scherz gut rüberbringen kann. Dadurch wird Gansers Kost verdaulich. Nicht weniger als die Entzauberung der Mär, dass es sich bei der Weltmacht USA um die Guten und bei den Russen um die Schlechten handelt, ist Kern seiner Botschaft. Eigentlich braucht es dazu nur einen Blick auf die Landkarte, die der 49-jährige Schweizer präsentiert. Darauf abgebildet die Warschauer-Pakt-Staaten vor der Osterweiterung der NATO und heute. Ganser nennt es das gebrochene Versprechen der NATO gegenüber Russland und belegt, wann und durch wen es gegeben wurde. Die USA seien mal für und mal gegen die Demokratie, sie seien halt für ihre Machtinteressen - das sei die einzige Konstante, erklärt der smarte Redner.

Daniele Ganser ist Friedensforscher.

Der Doktor der Philosophie, Publizist und Buchautor stellt eine Frage „Warum ist in der Ukraine ein Krieg ausgebrochen?“, und beantwortet sie anhand seiner Recherchen. Ganser geht es nicht um einseitige Schuldzuweisung, vielmehr lenkt er die Aufmerksamkeit seines Publikums auf die Vielschichtigkeit der Gründe eines Krieges. Nicht schwarz oder weiß, die Grautöne sind es, die der Schweizer beleuchtet.

Daniele Ganser ist Historiker.

Seine Ansichten sind so gefragt, dass Ganser in Lauterbach bei Bregenz am 17. Juni 2022 gleich zweimal seinen Vortrag hielt, jeweils vor 600 Zuhörern. Innerhalb von nur drei Tagen waren die Sitzplätze des ersten Vortrags bereits ausverkauft. Beweis dafür, wie gewollt Ganser ist in Zeiten, in denen in Osteuropa ein Krieg tobt.

„Die Amerikaner forcierten erkennbar die konfrontative Entwicklung“, so der ehemalige ukrainische Ministerpräsident Nikolai Asarow, eine Aussage, die der Historiker nicht nur in seinem etwa eineinhalbstündigen, gut bebilderten Vortrag zeigt - sondern auch vertritt. Ganser spricht über den Umsturz in der Ukraine, der für ihn lange vorbereitet 2014 auf dem Maidan (zentraler Platz in Kiew, man spricht auch über die Maidan-Revolution) stattfand. Der rechte Sektor in der Ukraine war maßgeblich am Putsch beteiligt, Scharfschützen, „die dritte Armee“ nennt sie Ganser, schossen auf Zivilisten und auf Polizisten. Damit schufen sie maximales Chaos, erklärt der Friedensforscher. Daniele Ganser redet nicht ins Unreine, sondern unterstreicht seine Aussagen durch die Zitate politischer Akteure und nennt jeweils Quellen. Das nennt man sauber recherchiert. Für den Historiker Ganser haben die USA den Putsch in der Ukraine gemacht.

Daniele Ganser präsentiert Fakten - wie ein abgehörtes Telefon-Gespräch zwischen Victoria Nuland vom US-State-Departement und Geoffrey Pyatt, US-Botschafter in der Ukraine, vom 7. Februar 2014: „Ich denke nicht, dass Klitsch (Vitali Klitschko, jetzt Bürgermeister von Kiew) Teil der neuen Regierung sein sollte, ich glaube, das ist nicht nötig und keine gute Idee...Jazenuk ist der richtige Mann...Ban Ki Moon von der EU könnte helfen, das wasserdicht zu machen, und weißt du was, fuck the EU“. Diese Konversation ist ein beredtes Zeugnis für Gansers Thesen. Der Historiker hat diesen erstaunlichen Blick in die Abgründe der Weltpolitik nicht etwa erfunden, sie sind bereits in Spiegel-Online vom 7. Februar 2014 dokumentiert. Dieses abgehörte Telefonat führte 2014 nicht etwa zu Irritationen, vielmehr hielten die USA an der von ihnen gewünschten Regierungsbildung in der Ukraine fest. Das sei schon ein Hammer, wie die das einfach so wegbügelten und weitermachten, sagte Ganser. „Schnappt euch Gewehre, bekämpft die Russensäue, die Deutschen, die Judenschweine und anderes Ungeziefer“, hetzte 2004 Oleh Tjanybok, der Gründer der nationalen ukrainischen Partei „Swoboda“, deren Symbol die gelbe Hand ist. Die ARD kommentierte das wie folgt: „Unter den Rebellen sind nicht nur Gute“. Dokumente wie dieses sind dazu in der Lage, Glaubensgrundsätze zu ändern, auch wenn es ein schmerzlicher Prozess sein könnte - wenn man es nur zulassen will. Ganser setzt dazu Fragezeichen, ohne darauf zu verzichten, auch dem russischen Präsidenten Putin die „Rote Karte“ für seinen menschenverachtenden Krieg zu zeigen.

Gekonnt mixt der Friedensforscher knallharte Fakten mit seinen Wünschen für eine bessere Welt. Dazu gehört für ihn auch das „Garten-Eden-Projekt“ in Lauerbach, das für regionale Selbstversorgung und geschlossene Kreisläufe statt globaler Lieferketten steht. Das „Garten-Eden-Projekt“ war der Veranstalter, und Ganser freute sich mit dem Vereinspräsidenten Leo Simma über das gelungene Projekt. „Wie viele Öko-Projekte könnte man für 770 Milliarden US-Dollar an den Start bringen, denn das ist der US-Rüstungs-Etat“? fragte der Friedensforscher in sein Publikum, und erntete darauf Beifall. An dieser Stelle ein großes Kompliment für die Veranstalter, die Gäste erlebten tolle Organisation in einer Atmosphäre die gut tat.

Mehr Frauen an die Macht, so seine Message - denn Frauen sorgten für Wachstum und ernährten ihre Familien, sie legten Wert auf die Bildung ihrer Kinder - Männer machten Krieg. Sätze wie dieser kamen nicht ohne einen augenzwinkernden Seitenhieb auf seine Frau, die Ganser wohl immer wieder für sein Rasenmähen kritisiert. „Ich mähe halt alles, und sie will ihre Wildkräuter behalten“. Das Publikum schmunzelt mit Ganser, Männer wie Frauen fühlen sich angesprochen. In solchen Situationen sagt der Friedensforscher: „Ich gebe dir teilweise Recht“, ein Satz, den er für Konfliktsituationen empfiehlt, der wirke Wunder, so ein lachender Daniele Ganser.

In einem exklusiven Interview mit stattzeitung.org nahm Daniele Ganser am Rande der Veranstaltung in Lauerbach unter anderem Stellung zu Julian Assange, der für ihn ein Held ist.

Das Thema seines neuen Buches füllte den Abend, aber Ganser wäre nicht Ganser, ohne auf die Medien zu sprechen zu kommen. „Die Medien, die man konsumiert, machen die Gedanken, die man hat. Das ist sehr wichtig. Also aufpassen“, warnt Ganser. Die Kommunikation mit den Massen, wie beispielsweise die der Öffentlich-rechtlichen Medien, funktioniere nur über ständige Wiederholungen, man denke nur einmal daran, den Satz „Haribo ....“ zu komplettieren. „Darum achtet darauf, das kollektive Bewusstsein wird von Medien gesteuert. Abweichende Meinungen werden in einer Art „Hexenverbrennungs-Stimmung“ niedergemacht“, betonte der Friedensforscher. „Wo sind die Bilder von toten russischen Soldaten in den Medien, oder gibt es die etwa nicht?“ fragte der Friedensforscher, und unterstrich damit seine Meinung der einseitigen Information durch die Mainstream-Medien.

„Corona“ - Ganser bekennt, dass er sich nicht gegen das Covid-19-Virus habe impfen lassen - und die „Politik“ Karl Lauterbachs (Gesundheitsminister) ist für Ganser ein Beleg für eine Art „Volksverdummung“. Der Friedensforscher kritisiert ebenfalls die Lieferung schwerer Waffen durch die Bundesregierung in die Ukraine - praktisch ohne dass darüber in Deutschland diskutiert würde. Der Historiker zeigte dazu ein Bild der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock vom 21. September 2021 mit dem Slogan „...wir setzen uns für ein Exportverbot von Waffen und Rüstungsgütern ein...“. Zugegebenermaßen Baerbock bezogen auf den „Ukraine-Krieg“ kein Aushängeschild dessen was unter dem Begriff „feministischen Außenpolitik“ von Friedensaktivisten gefordert wird, wohl will sie es aber sein. Man denke auch an Margaret Thatchers Falklandkrieg. Auch kann man spekulieren, ob Frauen nur deswegen friedliebender sind, weil sie schlicht und ergreifend weniger häufig an die Macht kommen als Männer. Dennoch ist Gansers Ansatz „Frauen an die Macht“ berechtigt, da Frauen weniger dazu neigen Kriege zu führen.

Ganser wäre nicht Friedensforscher, ohne sein Publikum das eineinhalb Stunden, die wie im Fluge vergingen, gebannt an seinen Lippen hing mit versöhnlichen Worten zu verabschieden. Der Mann, der in der Pause Bücher signierte und für Selfies posierte wie ein Pop-Star, bekannte sich zur Schönheit der Welt. „Seht nicht nur, was schlecht ist, schaut hin, was alles gut ist, erfreut euch zum Beispiel an einer Schneeflocke“. Dazu präsentierte der Friedensforscher ein passendes Bild. Dieser Gedanke kam an und das nicht nur, weil in Lauterach ein heißer Tag zu Ende ging.

Garten-Eden-Projekt: https://garteneden-projekt.at/


Daniele Ganser wurde 1972 als Sohn des Pfarrers Gottfried Ganser (1922–2014) und dessen Frau, der Krankenschwester Jeannette Ganser, geboren. Er besuchte zwölf Jahre die Rudolf-Steiner-Schule in Basel, dann das dortige Holbein-Gymnasium bis zu seiner Matura 1992. Im Anschluss leistete er den obligatorischen Militärdienst. Dann studierte er an der Universität Basel, der Universiteit van Amsterdam und der London School of Economics and Political Science (LSE) Alte und Neue Geschichte, Philosophie und Englisch mit einem Fokus auf Internationale Beziehungen. Nach seinem Lizenziat an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel (1998) forschte er dort und an der LSE. Jussi Hanhimäki begleitete sein Vorhaben. 2000/2001 wurde er bei Georg Kreis am Historischen Seminar Basel mit der Dissertation Operation Gladio in Western Europe and the United States mit insigni cum laude zum Doktor der Philosophie promoviert.

Quelle: Wikipedia

Das gebrochene Versprechen

Die Osterweiterung der NATO und die Rolle der USA dabei sieht Daniele Ganser als Triebfeder für den derzeitigen Krieg in der Ukraine. Beistand erhält der Historiker von Journalisten und Politikwissenschaftlern. Diese äußerten sich dazu in der ARD wie folgt:

Der Journalist, Autor und Produzent Friedrich Küppersbusch sagte dazu in einer Talkshow in der ARD: „Die Amerikaner führen solange gegen die Russen Krieg, bis kein Ukrainer mehr übrig ist“. Für Küppersbusch ist es unerträglich, das durch immer neue Waffenlieferungen ein Krieg um ein paar Kilometer Frontlinie, oder um ein Einkaufszentrum geführt wird- der nur Tote bringt, so der Journalist bei Sandra Maischberger.

Der Politikwissenschaftler und Amerika-Experte Professor Christian Hacke äußerte im „Masken-Talk“ von Maischberger ebenfalls seine Befürchtung, dass in den Waffenlieferungen die Eskalationsgefahr dieses „Ukraine-Krieges“ liege. „Wasser auf die Mühlen“ nannte er die angestrebte EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Dies bestätige Putin geradewegs. Hacke sagte, er habe zu Beginn des Krieges fest damit gerechnet, dass die USA den Konflikt sofort deeskalieren würden. Dann habe er feststellen müssen, dass dieses wohl gar nicht im Interesse der Supermacht liege. Hacke hält den russischen Präsidenten Putin für äußerst gefährlich und zu allem fähig. Amerika befindet sich seiner Meinung nach im Niedergang. Alles in allem eine brisante Konflikt-Mischung, die sich durch eine immer rasantere Aufrüstung für Christian Hacke nicht lösen lässt.



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Kommentare

Kommentar von Gerhard Fischer |

Der Artikel könnte insistieren, man wolle nur Werbung für eine Person machen. So voll des Lobes für Daniele Ganser, seiner Fähigkeit die Menschen für seine Analyse einzunehmen. Und ja, es ist richtig so. Dabei, wer Ganser liest oder hört, kommt nicht umhin, so er noch Hirn zum Denken hat, ihm in seiner Analyse recht zu geben. Es tut immer wieder gut ihm zuzuhören, obwohl man die Themen ja inzwischen kennt, gleichermaßen dieser Meinung ist. Von Ganser kann man eigentlich nicht genug bekommen. Es ist wie ein guter Zement, der für ein festes Fundament Voraussetzung ist.
Also, hingehen, wenn er in der Nähe einen Vortrag hält, der Eintritt ist eine gute Investition.

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