Die ganz besondere Energie des „Rengo“

von Stef Manzini (Kommentare: 2)

  • Schönes Hoffest und fette Fete
  • Gratulation zum Doppeljubiläum
  • 800 Jahre Hofstelle, 90 Jahre bio-dynamisch
  • Hunderte Gäste beim Hofgut Rengoldshausen

Glück ist, wenn der Bass einsetzt! Und dann ging die Post ab auf der vermutlich heißesten Party, die Überlingen in diesem Jahr feiern durfte. „Tribe-Time“ heißt die Band aus Ried im oberösterreichischen Inntal, und was die fünf Jungs da mit Maultrommel, druckvollem Didgeridoo, Jew´s Harp und psychedelischen Gitarrenriffs auf die Bühne legten, entzündete den Funken bei ein paar hundert tanzwütigen Partypeople in der leergeräumten Gemüsehalle auf dem „Rengo“. Erlösung lag in der vibrierenden Luft als die Arme nach oben flogen. „Corona-Schock-Starre“. Kriegselend. Trotzdem. Darauf hatten viele gewartet einmal loslassen, loslegen, sich spüren- eine Nacht lang. So richtig und wichtig! Danke, „Tribe-Time“. Danke, „Rengo“.

Rengo-Hoffest ist immer dann, wenn es am Freitag noch „kübelt“ und dann am Samstag die Sonne scheint. Und bei strahlendem Sonnenschein durften sie am vergangenen Wochenende feiern, die Macher von einem der größten Demeter-Höfe Europas, und einem der ersten in Deutschland. Denn vor 90 Jahren begann auf dem Überlinger Hofgut Rengoldshausen nachhaltige Landwirtschaft. Der „Rengo“, wie er von den „Bodensee-Aborigines“ liebevoll genannt wird, war damit der sechste Demeter-Hof in Deutschland, der umstellte auf nachhaltige Produktion zum Wohle der Erde, der Menschen und der Tiere.

Mit der ganz speziellen Energie dieses Hofes erklärte die Staatssekretärin des Landwirtschaftsministers, Doktor Ophelia Nick, in ihrer Festrede auch, dass die Tänzer der Nacht bis um vier Uhr früh nicht die Füße stillhalten konnten: „Und das sind ganz überwiegend dieselben Menschen, die hier den ganzen Tag an den Ständen gearbeitet, und sie, liebe Gäste, herumgeführt haben“, so eine lachende Staatssekretärin, die dem Hofgut auf ganz besondere Weise verbunden ist- weil sie in der Nähe ihre Ausbildung machte, und auf der Landbauschule im „Rengo“ war.

Es ist diese Energie, die seit 800 Jahren auf dieser Hofstelle Menschen dafür arbeiten lässt, Nahrungsmittel zu erzeugen. Das Leben pulsiert an einem geschichtsträchtigen Ort, durch den vom 14. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts die Hauptverkehrsachse, also Handelsroute, zwischen Wien und Paris entlanglief. Die „Alte Poststraße Thurn- und Taxis“ ist heute ein Hohlweg, der die Ställe und Wohnhäuser von der Gemüseproduktion in den Gewächshäusern auf dem Demeter-Hofgut trennt, der immer noch begehbar ist, und nach Deisendorf führt.  Pointiert und erkenntnisreich dazu die Zeitreise in die Historie, von Ulf Janicke, dem Gemeinderratskollegen und Politikfreund von Walter Sorms- dem „Altbauern des Rengo“, wie er sich selber gerne bezeichnet. „Alt“ ist ein vollkommen unzutreffendes Wort für den quirligen Mann, der nur so vor neuen Ideen sprüht- und diese dann auf dem Hof umsetzt. Der „Keller“ eine ebenso verharmlosende „Sormsche“ Bezeichnung für das neue Kuppel-Gewölbe, das an die gestalterische Kraft des Künstlers Andy Goldsworthy erinnert, wie auch das über dem „Keller“ befindliche neue geschwungene großzügige Holzgebäude, das Sorms als „Gartenhaus“ bezeichnet, sind beredte Zeugnisse für sein Wirken. Der „geniale Bauherr“ hatte allerdings etwas zu kämpfen mit seinem Kopfkino, in dem vermutlich so viele Bilder aus dem Hofleben auftauchten und ihn bewegten. Walter Sorms war mächtig nervös vor seinem Vortrag. Der „Altbauer“ durfte am Sonntagvormittag viele Festgäste begrüßen, darunter auch die der Familie Voith, wie die Zeitzeugin Silvia Hammacher, geborene Voith, und Daniel Schily, einen Neffen der 2018 verstorbenen Cornelia Hahn. Staatssekretärin Ophelia Nick ist seine jüngere Schwester. Schily ist zusammen mit Walter Sorms einer der Vorstände der Columban-Stiftung, der Gesellschaft zur Förderung anthroposophischer Bestrebungen.

Die Industriellen- Familie Voith und ganz besonders die verstorbene Cornelia Hahn (geborene Voith) haben mit ihrer großen Unterstützung und ihrem weitsichtigen Verständnis, gerade auch zu innovativen Projekten, zum Erfolg des „Rengo“ ganz maßgeblich beigetragen. Seine Nervosität macht den Landwirtschaftsmeister Walter Sorms sympathisch und praktisch jeder mag ihn, weil er zu allen freundlich ist. „38 von 900 Jahren habe ich hier bisher mitgewirkt, das klingt nicht nach viel, aber ist der Großteil meines Lebens“, erklärte Sorms. Seine Größe liegt auch in der Bescheidenheit aber vor allem in seiner Produktivität, die Ausdruck seines Freigeistes ist. Das wir uns auf jedem Stück Land auf dem wir leben auch ernähren können, das ist für den „Altbauern“ das große Ziel der Bio-Landwirtschaft. Dafür steht, so nannte es Überlingens Oberbürgermeister Jan Zeitler „eine Keimzelle der antrophosopischen Bewegung“- das Hofgut Rengoldshausen. Deutlich über 2.000 Menschen versorgt das Hofgut Rengoldshausen, mittels Hofladen, grüner Kiste und weiteren Vertriebswegen mit Lebensmitteln, als Anhaltspunkt der Produktivität der Landwirtschaft seien hier die 1.000 Tonnen Möhren jährlich genannt.  Alle Informationen, Rückblick auf die Historie, wie Ausblick in die Zukunft des Zukunftsprojekts „Landwirtschaft auf dem Rengo“ sind zusammengetragen worden in dem Buch „Rengo-Chronik“, erhältlich für 20 Euro im Hofladen.

„Wir machen nicht alles gut auf diesem Planeten, aber wir machen auch vieles gut“, sagte Staatssekretärin Ophelia Nick. Recht hat sie, denn das „Hofgut Rengoldshausen“ ist in vielerlei Hinsicht ein Leuchtturm. Dazu gehört unbedingt die rund 150-köpfige Rinderherde, und wer einmal eingetaucht ist in die Welt von Mechthild Knösel, der „Kuhfrau“ bekannt auch aus dem Fernsehen und vom „schönsten Titelbild“ des Hamburger Magazins „stern“. Ja, so schön sind Kühe! kann sich nur begeistern, was in Sachen „Tierwohl“ möglich ist. Mechthild erklärte Kuh. Ihre Zuhörer kamen in Scharen, am vergangenen Wochenende, dem 25. und 26. Juni 2022 bei Kaiserwetter im fünf Kilometer vor den Toren Überlingens gelegenen Demeter-Hofgut. Ein Bericht über ihr neuestes Projekt, eine abgeschlossene Studie zu Stresshormonen im Fleisch herkömmlich geschlachteter Kühe im Vergleich zur auf dem „Rengo“ praktizierten Hofschlachtung erscheint demnächst in stattzeitung.org. Grasland und darauf Wiederkäuer, die es verwerten, darin besteht für die „Kuhfrau“ ein direkter Zusammenhang der Nachhaltigkeit.

Zwei Zitate der Lebendigen Landwirtschaft gGmbH (lelawi) wurden nachträglich auf Bitte der Geschäftsführung aus dem Artikel entfernt. Die „lelawi“ legt nach eigener Aussage Wert darauf, sich im Kontext „Corona“ neutral zu verhalten. (Textänderung am 30. Juni 2022)

Betriebsleiter Markus Knösel kann voller Zufriedenheit auf ein vergangenes großes Fest-Wochenende zurückblicken. „Seine“ Mannschaft, die auch aus vielen Frauen besteht, hat Großartiges geleistet und eine tolle Organisation an den Tag gelegt. Die kleinen Gäste waren begeistert, sie durften auch auf einem großen Traktor mitfahren. Für die Großen wurde geredet, erklärt, gezeigt- und vor allem gefestet was das Zeug hielt. Essen und Trinken hält bekanntlich Leib und Seele beisammen, davon gab es reichlich, in bekannt guter Bio-Qualität. Bratwurst und Döner vom Rengo-Rind, vegetarische Falafel, dazu Bio-Wein und danach ein köstliches Bio-Eis. Und dann der „Latte“ mit Kaffeebohnen vom Solid-Ground eingeschenkt mit einem Lächeln von der bezaubernden Luna auch noch um 2 Uhr nachts. Die Welt war in Ordnung am Wochenende auf dem Rengo- und sie schmeckte gut.

Womit wir bei Johannes Günther wären. Der Chef der Gärtnerei auf dem „Rengo“ hatte mächtig Spaß in „seiner“ Gemüsehalle mit Band und anschließendem Sound der D-Jane. Er war einer derjenigen, die bis in den frühen Morgen rockten- um dann am Sonntagvormittag wieder das Fest zu rocken, und auf dem Gabelstapler Logistik hin- und her zu transportieren. Es ist eben diese ganz besondere Energie....


Der „Kuppel-Keller“

In den sechs Meter unter der Erde liegenden 90 Quadratmeter großen beiden Räumen des „Kuppel-Kellers“ werden in Zukunft Heilkräuter zum Zwecke natürlicher Düngung fermentiert. Die Blüten von Schafgarbe, Kamille, Löwenzahn, Brennessel und Eichenrinde werden dazu ein halbes Jahr im Erdreich vergraben. Danach fermentieren sie eineinhalb bis zwei Jahre in der Erdatmosphäre bei acht Grad Celsius und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit im Gewölbe des „Kuppel-Kellers“. Die so durch Umwandlung entstehenden mikrobiellen Stoffe werden dann dem Kuhdung beigefügt. Im Hofgut Rengoldshausen fallen jedes Jahr rund 3.000 Tonen Kuhmist an, die Menge der Kühe ist exakt abgestimmt auf die Anbaufläche. Mit diesem Kuhmist werden die Felder gedüngt. Damit dieser Mist maximal Humus bildet, und möglichst wenig ausgast, wird dem Kuhdung dann das im „Kuppel-Keller“ entstandenen natürliche Präparat beigefügt. Sobald der Boden fertiggestellt ist, und die große Eichentüre die Durchgangröhre verschließen kann, startet die Produktion. Walter Sorms freut sich besonders darüber, dass auch schon andere biodynamische Betriebe Interesse an den so entstehenden natürlichen Dünge-Präparaten angemeldet haben.


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Kommentare

Kommentar von Walter Sorms |

Mega… schöner und treffender kann man das Fest nicht beschreiben! Vielen herzlichen Dank!

Kommentar von Bettina Dreiseitl |

Großartig, die Stimmung und Infos eingefangen!!

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