Frieden schaffen ohne Waffen

von Ruth Meishammer (Kommentare: 1)

Bild: Alfons Meishammer
Krieg&Frieden
  • Eine Reportage zur Friedensdemo in Bregenz
  • Auf dem Bregenzer Ostermarsch fand die Friedensbewegung zu sich und ihren Wurzeln.
  • Schwerter zu Pflugscharen statt Schwerter in die Ukraine?
  • Rund 1.000 Teilnehmer kamen zur Demonstration der Friedensregion Bodensee.

„Es geht ums Ganze! Klima. Gerechtigkeit. Frieden.“ - so lautete der diesjährige Aufruf zum Internationalen Bodensee-Friedensweg am 18. April in Bregenz. Als ich den Flyer lese, werde ich unsicher. Die Einladung mutet sehr allgemein an. Ihr ist nicht zu entnehmen, in welcher Form der Wunsch nach Frieden verwirklicht werden soll. Wofür werde ich hier marschieren? Für eine Solidarität mit der Ukraine in Form von Waffenlieferungen? Oder für Alternativen zu militärischer und verbaler Aufrüstung?!
Mich persönlich treibt der dringliche Wunsch nach einem sofortigen Stopp sämtlicher Waffenlieferungen auf die Straße, und so mache ich mich auf den Weg - gespannt, wer dort mit mir sein wird. Mein Pappschild mit der Aufschrift „Keine Waffen in die Ukraine!“ führt am Bahnhof Überlingen erst einmal dazu, dass eine ältere Frau mich als Ostermarschierende identifiziert und den gemeinsamen Kauf eines Gruppentickets anregt. Welches Anliegen treibt sie nach Bregenz, frage ich. Sie komme vor allem, um zu hören, was die Friedensbewegung zum Krieg in der Ukraine sagt. Denn sie wisse gar nicht mehr, was sie denken solle.

Als ich gegen 14 Uhr auf den Bregenzer Kornmarktplatz komme, sind dort einige hundert Menschen versammelt. Später wird die Polizei 1.000 TeilnehmerInnen zählen. Neben jeder Menge regenbogenfarbener „Pace“-Fahnen, die von den Veranstaltern verteilt werden, finden sich vereinzelt blau-gelbe Fahnen, Plakate und Buttons mit der Aufschrift: „Stand with Ukraine!“ (Stehe zur Ukraine). Viele sind es nicht, die sich auf die Seite der Ukraine, beziehungsweise auf die Seite der ukrainischen Regierung stellen. Aber mit ihnen komme ich aufgrund meines Plakats schnell in Kontakt: Einige sprechen mich direkt an, weil sie sich durch meine Forderung provoziert fühlen. Ein Schweizer Friedensaktivist ist hin- und hergerissen: Die Neutralität der Schweiz sei ihm immer wichtig und wertvoll gewesen, aber ob das angesichts der brutalen Aggression Putins noch das Gebotene sei?! Manche fordern „Keine schweren Waffen in die Ukraine!“, aber ein generelles Lieferverbot geht ihnen zu weit. Etlichen Menschen, die selbst keine Schilder tragen, spreche ich sehr aus dem Herzen: „Gut, dass Sie das so deutlich formulieren!“, meint eine Teilnehmerin und es kommen im Laufe der dreieinhalb Stunden noch viele hinzu, die ihre Zustimmung ausdrücken. „Frieden schaffen ohne Waffen“ - dieses alte Motto der Friedensbewegung lese ich denn auch auf dem Infostand der „Friedensregion Bodensee e.V.“, die zu den Veranstaltern gehört. Neugierig verfolge ich ein Fernseh-Team des ORF und frage mich, nach welchen Kriterien sie ihre Interview-PartnerInnen auswählen mögen und welches Bild von dieser Veranstaltung entstehen wird, auf der so extrem weit auseinander liegende Positionen vertreten sind.

Nachdem der Umzug sich in Bewegung gesetzt hat, an der Seebühne vorbei und an der Promenade entlang gelaufen ist, herrscht mich - kurz nach der Schweigeminute - eine junge Frau an, die sich in eine gelb-blaue Ukraine-Flagge gehüllt hat. „Sie sind völlig falsch hier auf dieser Demo!“, zischt sie und zeigt auf mein Plakat. „Sie sind für Putin! Sie sind AfD!“ Ihren Angriff empfinde ich als so heftig, dass ich den Versuch eines Gesprächs bald abbreche und mich lieber ein paar Meter entfernt von ihr einreihe.

Nach der Rückkehr erwarte ich mit Spannung die Hauptreden, vor allem die, die sich nicht mit Klima und Wirtschaft beschäftigen, sondern dem aus meiner Sicht eigentlichen Anliegen der Friedensbewegung: dem aktuellen Krieg. Als die Schweizerin Lea Suter vom „Forum für Friedenskultur Ilanz“ die Bühne betritt und die zentrale und längste Rede dieses Tages hält, hat sie die volle Aufmerksamkeit. Keine Nebengespräche, keine Flyer-Verteilung oder Ähnliches. Die junge Frau erzählt von der großen Irritation, die sie empfindet angesichts einer Zeit des schnellen Urteilens und Forderns. „Und bevor die Friedensbewegung zu sich kommt“, sagt sie, „sind Milliarden für die Aufrüstung gesprochen – im Namen des Friedens.“ Suter benennt ihre Verwirrung darüber, dass westliche Politiker zur Vernichtung eines Staatsoberhauptes aufrufen, um unsere „humanitären Werte“ zu schützen. Sie bezeugt ihre Irritation über die „Blutrünstigkeit“ und den Hass, die ihrer Beobachtung nach den öffentlichen Diskurs prägen. Sie ist verwirrt auch darüber, dass man all jene, die sich für Dialog, gegenseitige Verständigung und Annäherung eingesetzt haben, öffentlich angreift und lächerlich macht und sie gar als Komplizen des Aggressors darstellt. Ihre Rede ist ein starkes Plädoyer gegen ein Denken in Kategorien von Siegern und Verlierern. Suter erinnert daran, dass der andere, der Aggressor, der Feind stets ein Teil der Lösung ist und legt ausführlich dar, worauf es bei solchen Lösungen ankommt: Unsere primäre Rolle als Friedensbefürworter sei nicht die Verurteilung einer Kriegspartei, „sondern die Verurteilung des Kriegs und aller Mechanismen, die den Krieg befördern.“ Es gelte, aus der Bedrohungsspirale auszubrechen, in der mein Gegner sich durch meine Verteidigung wiederum bedroht fühlt und meint, sich selbst stärker verteidigen zu müssen. Dadurch gewinne niemand an Sicherheit. Eine Friedenshaltung lade dazu ein, nicht beim anderen, sondern bei sich selbst zu beginnen und zu prüfen, ob wir unseren Handlungsspielraum wirklich maximal ausnutzen. Der lang anhaltende Applaus am Ende der Rede deutet darauf hin, dass sich die große Mehrheit der Teilnehmer in der klaren Forderung nach verstärkten Bemühungen um Verhandlungen vereint fühlt. Als ganz zum Schluss Claus Kittsteiner von der Friedensregion Bodensee die Bühne betritt, möchte er den Worten von Suter nicht mehr viel hinzufügen. Auch für ihn hat die Friedensbewegung die dringliche Aufgabe, sich zu friedlichen Alternativen der Konfliktlösung zu bekennen und sich dem Risiko auszusetzen, diffamiert und belächelt zu werden. „Ihr seid die fünfte Kolonne Moskaus!“, ruft er den Demonstranten augenzwinkernd zu und erinnert mit dieser ironischen Betitelung daran, dass in den Zeiten des Kalten Krieges die Friedensbewegung schon einmal als verlängerter Arm Moskaus beschimpft wurde. Angesichts des Ukraine-Krieges scheint die Friedensbewegung wieder streitbarere Konturen angenommen zu haben und eine Art Auferstehung zu feiern. Jedenfalls an diesem Ostermontag in Bregenz.


Link zur Rede von Lea Suter vom Forum für Friedenskultur:
https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2022/reden/lea-suter-bregenz



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Kommentare

Kommentar von Abs Riet |

Es hätte mich jetzt aber doch die Position des „Internationalen Bodensee-Friedensweg" zum Klimaschwindel interessiert, einfach um zu ermessen, inwieweit diese Bewegung auch schon unterwandert ist.

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