Die Schwedenprozession, an Kiew denken ja oder nein?

von Stef Manzini (Kommentare: 1)

Bild: Stef Manzini
  • Demonstration für den Frieden ist keine „Friedens-Demo“.
  • OB Zeitler möchte keinen Kontext herstellen.
  • Pfarrer Walter hat kein Problem damit.

Es geht um Krieg und um Belagerung. Es geht um Frieden und Dank. Die historische Schwedenprozession fand in Überlingen am Sonntag den 8. Mai 2022 erstmals nach „Corona“ wieder mit großer Beteiligung der Öffentlichkeit statt. Die beiden jährlichen Dankprozessionen, die zweite findet am 10. Juli statt, gedenken der Bewahrung der Stadt vor der Einnahme durch die belagernden Schweden 1632 und 1634 im 30-jährigen Krieg. Die Prozession obliegt der Stadt, die Münsterpfarrer Bernd Walter mit der Ausführung beauftragt. Was bedeutet die traditionelle Veranstaltung in der aktuellen Situation da wieder Krieg herrscht in Europa, für Stadt und Kirche und Bürger? Wie schätzen Jan Zeitler und Bernd Walter die Symbolik und Außenwirkung ein? Oberbürgermeister Zeitler lehnt eine Verbindung der Prozession mit dem aktuellen Kriegsgeschehen ab, und sagt dazu: „Eine über diese Tradition hinausgehende Außenwirkung herzustellen oder gar einen Kontext zur aktuellen politischen Situation zu sehen, ist völlig abwegig“. Für Stadtpfarrer Bernd Walter steht der Frieden im Mittelpunkt der Schwedenprozession. Es ist für den Geistlichen absolut okay, eine gedankliche Hinwendung zum Krieg in der Ukraine mit dem Wunsch nach Frieden herzustellen. Allerdings gibt der Pfarrer zu bedenken, dass man dabei nicht egoistisch sein sollte, weil das Land in Osteuropa so nahe ist. „Es gibt immer und überall auf der Welt Krieg, darum können wir immer und überall für Frieden beten“, so Bernd Walter.

Pfarrer Bernd Walter führt aus: „Ich finde es beachtlich, dass seit über 350 Jahren diese Tradition aufrecht erhalten bleiben konnte. Und wie es auch in jüngster Zeit ein Ringen um eine angemessene Erfüllung des Gelübdes der Stadtväter gab. Vor 20 Jahren hat man versucht die Flugzeugkatastrophe mit in die 2. Schwedenprozession einzubetten. Und immer ist das Thema Frieden im Mittelpunkt der Schwedenprozession. Die Schwedenprozession ist eine "Demonstration", um zu zeigen, dass in diesem Anliegen hier in Überlingen besonderes gebetet wird. Und wo gebetet und gesungen wird im Anliegen um den Frieden kann das noch lange nichts Schlechtes sein. Gerade am vergangenen Sonntag fand ich die Resonanz der Teilnehmenden ausgesprochen gut. Viele sind gestärkt von den drei Stunden zurück in ihren Alltag gekehrt. Die Liturgie, die Prozession und vor allem das Miteinander von Verantwortlichen der Stadt, der Kirche, der Gruppen und Kreise, insbesondere des Trachtenbundes und der Stadtkapelle brachten ein konzertiertes Miteinander auf den Punkt. Einerseits steht der Dank für die Errettung von Plünderung und kriegerischer Vernichtung im Mittelpunkt, dann aber auch die Bitte um das Miteinander in der Stadt. Die Einteilung in Nachbarschaften finde ich einen genialen Gedanken. Schließlich ist ein Nachbar oft näher als ein guter Freund. Bis auf den heutigen Tag sind Nachbarstreitigkeiten zum Schaden für ein gutes Miteinander.“

Mag es für den Oberbürgermeister auch abwegig sein einen Zusammenhang von altem und neuem Krieg herzustellen, womit er im historischen Kontext der Schwedenprozession natürlich absolut recht hat, so mögen die Gebete für Frieden doch bei so manchem Teilnehmer des diesjährigen Prozessionsweges in die nahe Ukraine gerichtet gewesen sein. Die Gedanken sind ja bekanntlich frei. Selbstverständlich hat Zeitler nochmals recht, die Erfüllung des Gelübdes der Ahnen ist keine „Friedens-Demo“, und sollte auch nach „Außen“ nicht so wirken, so will der Münsterpfarrer auch nicht verstanden werden. Demonstrationen für den Frieden in vielerlei Gewand kann es wohl zurzeit gar nicht genug geben, da würde jedoch der Überlinger Oberbürgermeister dem Pfarrer bestimmt beipflichten.

Die während der Prozession verlesenen Texte, beispielsweise der nachfolgende aus dem Jahre 55 nach Christus, haben an Aktualität bis in die Gegenwart nichts eingebüßt. Lesung aus dem Brief an die Römer an einer Station des Prozessionsweges: „Wir müssen als die Starken die Schwäche derer tragen, die schwach sind, und dürfen nicht für uns selbst leben. Jeder von uns soll Rücksicht auf den Nächsten nehmen, um Gutes zu tun und die Gemeinde aufzubauen. Denn auch Christus hat nicht für sich selbst gelebt“. (Röm 15.1-3)



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Kommentare

Kommentar von Elisabeth Schier-Braun |

Danke. Das Ereignis von Überlingen haben Sie wunderbar in so präzisen Worten wiedergegeben, daß ich mir gut vorstellen kann, wie es sich angefühlt haben würde, wäre es mir vergönnt gewesen, dabei gewesen zu sein und genau zugehört zu haben. Während ein Oberbürgermeister den Gedanken einer „Friedens-Demo“ (was auch immer das wohl sein mag) für „absurd“ zu erklären genötigt zu sein scheint, kann eine sorgfältig arbeitende freie Presse den mitgehörten und miterlebten Wortlaut zitieren, und damit von dem schreiben, was das Leben von Oberschwaben im Kern prägt: Die frohe Botschaft, wie sie Jesus Christus offenbart hat.

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